Ältester Briefmarkensammlerverein Deutschlands


Hindenburgfrankaturen Teil 5

Seltene Destinationen 

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Wer eine Reise macht, kann etwas erzählen. So erleben wir es auch bei Belegen, wobei sich unter Sammlern der Mehrwert eines seltenen Ankunftsortes durchgesetzt hat. Ursprünglich sah man das zunächst nur bei Belegen aus Altdeutschland oder aus der Periode der Brustschildfrankaturen als wertsteigernd an, wo solche Auslandsbriefe in der Regel auch ohne Vorkommen besserer Marken in Mischfrankatur ab vierstelligen Eurobeträgen gehandelt werden. Ausbreitend von diesen ersten Ausgabegebieten wird das jetzt nahezu in allen Sammelgebieten wertgeschätzt. So erzielten bei der diesjährigen Dresdner Briefmarkenauktion zwei Briefe nach Mexiko mit Krone/Adler- Frankaturen Zuschläge von jeweils ca. 800 € inklusive Aufgeld, ohne dass hochbewertete Einzel- bzw. Mehrfachfrankaturen oder seltene Farben der Marken feststellbar waren. Einzig das Ziel verbunden mit entsprechend hohem Porto bewirkten die hohen Zuschläge, wobei man dabei wertschätzt, dass die tatsächliche Beförderung anhand von Durchgangs- oder Ankunftsstempeln nachvollziehbar ist.

Wir betrachten hier nun Hindenburgfrankaturen und sind zeitlich damit in den 30er Jahren des vorigen Jahrhunderts angesiedelt. Es fragt sich, welche Ziele der Postbeförderung waren vor ca. 90 Jahren selten oder gar exotisch? Nachbarländer von Deutschland, europäische Ziele oder Ziele, mit denen rege Handelsbeziehungen herrschten, kommen dafür nicht in Betracht. Zu letzteren gehört die USA aber auch z.B. Persien, da Deutschland als Handelspartner dort schon immer geschätzt war. So hat der Autor schon viele Briefe mit Bankkorrespondenz ins persische Teheran in der Hand gehabt; die Marken darauf sind oft mit Firmenlochungen versehen, so z.B. mit "Dr.B." für die Dresdner Bank; diese Belege sind nicht selten.

Nicht so häufig kommen Belege vor, die in Länder gerichtet sind, die Deutschland ca. zwanzig Jahre vor unserer Betrachtungsperiode 1918 als Kolonien verloren hat. Dazu gehört Südwestafrika, das heutige Namibia. 


Abbildung 1


Der Beleg ab "Berlin" von 1937 an den "Deutschen Bund von Südwestafrika" (Abb. 1) legt Zeugnis vom vorgenannten historischen Umstand ab, was der Autor als noch wertvoller empfindet, als die 60 Pf Einzelfrankatur, portorichtig 40 Pf für den doppelgewichtigen Auslandsbrief plus 20 Pf Luftpostzuschlag. Seltener vom Ziel her als die Hauptstadt Windhuk ist die schon in Teil I als Abb. 4 der Serie gezeigte Karte nach Morogoro, heute Tansania. Nochmal zurück an die Westküste Afrikas: Der Brief ab "Magdeburg" geht am letzten Tag des Jahres 1934 ab nach "Lüderitzbucht" (Abb. 2). 



Abbildung 2

Der rückseitige Ankunftsstempel datiert auf den 24.1. und dokumentiert die doch lange Laufzeit, vermutlich per Schiff. Da dort Fräulein Annemarie N. nicht anzutreffen war, ging der Brief am 25.1. wieder in "Lüderitzbucht" ab (Stempel vorderseitig), um dann an drei verschiedene Orte nachgesandt zu werden und in Berlin-Steglitz dann sein doch nicht so fernes Ziel zu erreichen. Bei so einer kleinen Weltreise ist sowohl die doch einfache Frankatur als auch die einfachste Portostufe für einen Auslandsbrief von 25 Pf nebensächlich. 

Möglichst weit weg sollte die Reise also gehen, so z.B. ab "Hamburg" im Mai 1938 nach Shanghai, China (Abb. 3). Zugegeben auch damals ein Handelsknotenpunkt. 



Abbildung 3

Da der "I a" Offizier mit der "Preussen" aber schon wieder abgelegt hatte, musste ihm der Brief nach Kobe (Japan) nachgesandt werden. Die Rückseite ziert der Maschinenstempel "Shanghai" sowie der handschriftliche Vermerk "Kobe 19/6/38" sowie ein weiterer asiatischer, wohl japanischer Stempel (Abb. 4). Das ist doch schon mal was! 



Abbildung 4

Einreihen in die Liste exotischer Ziele können sich weiter La Paz / Bolivien (Abb. 5)



Abbildung 5

und Guayaquil / Ecuador (Abb. 6). 



Abbildung 6

Ein Traumziel ab "Berlin" 1941 ist weiter "Rio de Janeiro." Da die Adressatin dort nicht anzutreffen war, wurde der Brief mit je drei brasilianischen 400 Reis - Marken nachtaxiert und nach "Porto Alegre" weitergeleitet (Abb. 7).  



Abbildung 7

Dadurch gewinnt das Briefgesicht doch ungemein, zumal rückseitig neben dem Zensur-OKW-Verschlussstreifen zwei brasilianische Stempel die Beförderung und die trotz Nachsendung mit einem knappen Monat für Südamerika doch relativ rasche Beförderung bezeugen. 

Die Reihe kann rund um den Globus fortgesetzt werden: Panama, Neuseeland oder warum nicht Guatemala? Die Karte ab "Hamburg" vom November 1939 ist gleich mit zwei guatemaltekischen Ankunftsstempeln versehen, darunter der vom Zielort "Mazatenango" (Abb. 8). Das kann man wirklich als "rare Destination" bezeichnen, die man erst richtig schätzen kann, wenn man so etwas gezielt sammelt. 



Abbildung 8

Man merkt dabei rasch, dass man so etwas eigentlich nicht suchen kann. Man findet es meist nur mit Geduld und etwas Sammlerglück!

Der Autor möchte am Ende dieser philatelistischen Reise  einen Beleg vorstellen, der mit Werbestempel "Alpenkurort Hindelang" im Mai 1935 nach Palästina in das "Syrische Waisenhaus" gerichtet war. Text u.a. "Ist das Päkchen gut angekommen"? (Abb. 9). 



Abbildung 9

Es lag die Frage nahe, was das für ein Waisenhaus war und ob es etwas mit der Verfolgung der jüdischen Bevölkerung im Nationalsozialismus zu tun hatte. Doch eine wikipedia-Recherche ergab, dass der aus dem Allgäu stammende Missionar Schneller bereits im Jahr 1860 Bürgerkriegswaisen aufnahm und für sie das "Syrisches Waisenhaus" in Jerusalem gründete. Unabhängig von ihrer Konfession wurden dort Waisen und Kinder aufgenommen, unterrichtet und für einen Beruf ausgebildet. Diese beispielhafte und friedensstiftende Einrichtung expandierte, gewährte mehreren hundert Kindern Obdach und erreichte, außerhalb der Stadtmauern gelegen, 1900 eine Ausdehnung wie die gesamte Altstadt von Jerusalem. Vom Sohn Schnellers weitergeführt, begannen 1935 mit der Judenverfolgung in Deutschland die Schwierigkeiten für das Waisenhaus, denn ab da wurden deutsche Waren und Ausfuhren sowie Devisensendungen aus Deutschland boykottiert. Deshalb wohl auch die Päckchensendung und die Nachfrage. 1940 beschlagnahmten die Briten das Haus und das Waisenhaus in Jerusalem wurde 1942 aufgelöst. Über die Evangelische Mission lebt das Lebenswerk der Familie Schneller heute weiter. Der Beleg ist ein schönes Beispiel dafür, was es zu entdecken und zu erfahren gibt, wenn man mit seinen Belegen auf die Reise geht und ihnen nachforscht.   

Dr. Axel Eska, IPV 1877 Dresden e.V.