Ältester Briefmarkensammlerverein Deutschlands


Dresdner Fotoindustrie

(Ein Auszug aus der 77er-INFO 2/2023, Redaktion: Arndt Göbel)


Dank des Internets ist es heute möglich, die Historie der Fotoindustrie in und um Dresden von den Anfängen bis heute lückenlos nach zu vollziehen – oder vielleicht doch nicht? Beim Surfen stößt man immer wieder auf neue, bisher nicht beachtete Erfinder, auch auf mehr oder minder erfolgreiche Anbieter. Manchmal sind es nur Namensänderungen eines Betriebs, oft auch Übernahme von Firmen oder Fusionen.

Eine private Internet-Seite (1) listet allein etwa 60 Firmen auf, welche zur Weltgeltung der Dresdener Fotoindustrie beigetragen haben. Nachfolgende Angaben stammen von dieser Webseite sowie aus einer Broschüre von Peter Kny (IPV) (2).

1839


Friedrich Wilhelm Enzmann, Mechaniker und Optiker in Dresden, erster Produzent von Kameras und Photografischen Platten außerhalb Frankreichs

1898

In Dresden existieren bereits drei große Kamerafabriken:
- Fabrik photographischer Apparate vormals Richard Hüttig & Sohn
- Aktiengesellschaft für photographische Industrie - Emil Wünsche
- Aktiengesellschaft für Camera-Fabrikation Heinrich Ernemann

1906

Hüttig AG ist der größte europäische Kamerahersteller

1909

Erste große „Internationale Photographische Ausstellung“ in Dresden

1909

Internationale Camerafabriken Aktiengesellschaft - ICA entsteht durch Zusammenschluss von:
- Hüttig AG Dresden
- Emil Wünsche AG Dresden
- Kamerafabrik Krügener - Frankfurt/Main
- Abteilung Palmos Camerabau von Carl Zeiss Jena
In Spitzenzeiten werden etwa 13700 Mitarbeiter beschäftigt!

1912

Gründung des später unter Ihagee firmierenden Betriebes

1926

Gründung der Zeiss Ikon AG Dresden, Zusammenschluss von:
- Ernemann AG Dresden
- ICA AG Dresden
- Contessa-Nettel Aktiengesellschaft Stuttgart
- C. P. Goerz AG Berlin

1945


Die Schäden nach den Bombenangriffen am 13./14. Februar 1945 betreffen vor allem das Ihagee-Produktionsgebäudes mit Totalschaden.
Im Ernemannwerk von Zeiss Ikon gibt es nur Glasschäden, das Werk in Reick bleibt unversehrt. Allerdings wird im September auf Befehl der SMAD die Demontage von Zeiss Ikon angeordnet und eine Großzahl von Maschinen als Reparation nach Kiew verlegt.

1959

Zusammenschluss mehrerer Dresdner Kamerafabriken zum VEB Kamera- und Kinowerke:
- VEB Kinowerke Dresden
- VEB Altissa-Camera-Werke
- VEB Kamera-Werke Niedersedlitz
- VEB Aspecta Dresden
- VEB Welta-Kamera-Werke Freital

1964

Umbenennung der Kamera- und Kinowerke in VEB PENTACON Dresden

1968

Das Ihagee-Kamerawerk wird ins Kombinat VEB PENTACON eingegliedert, zunächst wohl nur der Vertrieb, ab 1970 auch die Produktionsstätten

1972

Verstaatlichung der letzten noch selbstständigen bzw. halbstaatlichen Betriebe der Dresdner Fotoindustrie

1985


Eingliederung von PENTACON, dem VEB Feinoptisches Werk Görlitz und dem VEB Kamerawerk Freital in das Jenaer Carl- Zeiss-Kombinat; damit wird die Selbstständigkeit der Dresdner Fotoindustrie beendet

1991

Abwicklung des Unternehmens VEB PENTACON Dresden durch die Treuhand; weit über 9 Millionen Praktica-Kameras waren seit 1949 produziert worden


Dieser kurze Abriss kann nur einen kleinen Eindruck zur Geschichte der Fotoindustrie in Dresden vermitteln. Denn auch viele andere Hersteller von Kameras, Zubehör, Fotopapier, Filmen usw. hatten ebenso einen Anteil am Erfolg wie Zulieferer, Fotografen, Hersteller von Ansichtskarten, Werbebroschüren und Vignetten.

(1) https://www.dresdner-kameras.de/briefmarken/briefmarken.html – auf vielen Seiten gibt es jede Menge Fakten und Bilder zur Photoindustrie, zu Innovationen, Produkten usw.

(2) Peter Kny IPV, Kleiner Ausschnitt zur Geschichte der Photoindustrie in Dresden, Broschur, Eigenverlag

Weitere interessante Webseiten:
- https://de.wikipedia.org/wiki/Ernemann
- https://de.wikipedia.org/wiki/PENTACON


Dresdner Fotoindustrie – nicht nur Ernemann und PENTACON

Der diesjährige Tag der Briefmarke wird in den Räumen der ehemaligen Ernemann-Werke gefeiert. Gleichzeitig gibt es ein Jubiläum: Der markante Turm der Fabrik wurde vor 100 Jahren errichtet. Ein sehr informativer Artikel zu genau diesem Bauwerk erschien in unserem gemeinsamen Verbandsjournal "nordost philatelie" von Anfang dieses Jahres (3). Ein wirklich lesenswerter Beitrag!

(3) Dr. iur. Axel Eska IPV, Freital: 100 Jahre Ernemann-Turm, nordost philatelie 1/2023

Dieser mehr oder weniger philatelistische Streifzug durch die Geschichte der Dresdner Fotoindustrie (oder Photoindustrie wie es im 20. Jahrhundert oft noch geschrieben wurde; auch in diesem Artikel wird die alte Schreibweise manchmal verwendet) beginnt aus naheliegenden Grund mit der Firma Ernemann.


Rekonstruiertes Foyer im Ernemannturm mit der Büste Heinrich Ernemanns; Darüber befindet sich die stilisiert-künstlerische Darstellung eines dreistrahligen Teils aus dem Malteserkreuzgetriebe (4) für Filmprojektoren  (Foto:: Wikimedia CC BY-SA 4.0)

(4) https://de.wikipedia.org/wiki/Malteserkreuzgetriebe

Gezähnte Vignetten (Auswahl) illustrieren, zu welchem Zweck Ernemann Cameras Verwendung fanden: Astro-, Sport-, Berufs-, Kriminal-, Ballon- und Röntgen-Photografie – zum Beispiel.


Werbevignetten der Heinrich Ernemann AG

Für Fotos eine Ernemann-Camera zu verwenden war offensichtlich ein Qualitätsmerkmal, wie eine Seite aus dem Prospekt der „Sächsisch-Böhmischen Dampfschiffahrts-gesellschaft“ nahelegt (damalige Schreibweise).


Pillnitz, Seite aus einem Werbeprospekt (nach 1920)

Ernemann ging 1920 eine Interessengemeinschaft mit der Friedrich Krupp AG ein. Die daraus entstandene „Krupp-Ernemann Kinoapparate“ beschäftigte sich mit der Herstellung und dem Verkauf von Filmprojektoren. Die Zusammenarbeit drückte sich in einem neuen Warenzeichen aus: Das bisher genutzte Warenzeichen, die Lichtgöttin, wurde durch ein dreiteiliges Malteserkreuzgetriebe ersetzt, später durch dieses auf den drei Krupp-Ringen. Durch die Verbindung mit Krupp war die Materialbeschaffung für die – auch wegen des erwähnten Getriebes für den bildweisen Filmvortrieb – als robust geltenden Ernemann Kinoapparate gesichert.



Paketkarte der Firma Ernemann mit Selbstbucherzettel



Rückseite der Auslands-Paketkarte von Dresden in die Schweiz

Die abgebildete Auslands-Paketkarte lässt erahnen, wie bedeutend die Firma Ernemann tatsächlich einmal war: Der gedruckte Text neben der Einlieferungsnummer bedeutet, dass die Firma Selbstbucher war. Übrigens: Die Inflation war auch schon auf dem Vormarsch – 12 Mark Porto!



Inflations-Drucksache der Krupp-Ernemann GmbH

Wie damals üblich, wurden zur Verhinderung von Diebstahl und mißbräuchlicher Verwendung für die Frankierung der Post vorgesehene Marken mit einer Lochung (Perfin) versehen. Dabei wurden vorwiegend Anfangsbuchstaben aus dem Firmennamen vewendet. Die Lochung "H.E." steht also für Heinrich Ernemann. Die Vergrößerung einer Germania-Marke zeigt dies deutlicher.

Vom 1. Mai bis Mitte Oktober 1909 traf man sich in Dresden zur „Internationalen Photographische Ausstellung“. Es muss ein beeindruckendes Ereignis gewesen sein, die Ansichtskarte (leider nur schwarz/weiß) vermittelt zumindest einen Eindruck.



Blick in den Hauptsaal I der Internationalen Photographischen Ausstellung

Aus philatelistischer Sicht interessant ist der zum Einsatz gekommene Sonderstempel, wie damals üblich im Muster angelehnt an ‚normale‘ Tagesstempel. Vielleicht nicht ganz zufällig wurde das Datum gewählt – der 19.09.1909. Philatelisten (und nicht nur diese) haben bekanntlich ein Faible für derartige Spielereien. Auch Andenken nicht-philatelistischer Art konnte man offensichtlich erwerben, wenngleich sie wie Briefmarken gezähnt waren.


Internationale_Photoausstellung_Posterstamp_1
Internationale_Photoausstellung_Posterstamp_2
Internationale_Photoausstellung_Posterstamp_3


Vignetten zur Internationalen Photografischen  Ausstellung

Auch das Ihagee Kamerawerk gehörte seinerzeit zu den Großen der Branche. Vor allem die innovative Blende war ein Meilenstein der Kameratechnik.



Werbeanzeige der Ihagee-Kamerawerke

Wie eingangs erwähnt, trugen viele weitere Firmen zum Erfolg der Dresdner Fotoindustrie bei. Als Beispiel sei hier die Mimosa AG genannt, Hersteller von sehr guten Photopapieren. Die Abbildung zeigt eine Auslandspaketkarte von 1937 nach Jugoslawien. Man beachte wieder: Selbstbucher!




Vorder- und Rückseite einer Auslands-Paketkarte der Mimosa AG nach Zagreb



Absender-Freistempel der Mimosa A.G.

Um 1900 fertigte die Emil Wünsche AG aus Reick (heute eingemeindet) ein auch für Philatelisten interessantes Produkt, genannt „Briefmarken-Kamera zur schnellsten und gleichmäßigsten Herstellung von Briefmarken-Porträts“ – eine Kastenkamera für 12 gleichzeitige Aufnahmen von je 28 mm * 32 mm auf Platten von 12 cm * 16 cm.



Kastenkamera (Foto: Wikimedia, CC BY SA 4.0)

Ein weiterer Kamera-Hersteller firmierte unter dem Namen Balda-Werke. Produziert wurden vor allem einfache, leicht zu bedienende Kameras für den Amateurbereich.



Relativ seltener Abdruck eines Komusina-Absenderfreistempels

Zu den Großherstellern von Kameras zählte über Jahrzehnte auch die Zeiß Ikon A.G. (damalige Schreibweise). Die grüne Farbe des gezeigten Ganzstückes impliziert eigentlich eine Postgutkarte; jedoch ist es auch denkbar, dass kriegsbedingt ein solcher Vordruck als Ersatz für eine Paketkarte verwendet wurde.



Selbstbucher-Paketkarte  (1943),  roter Poststempel  ‚Bezahlt‘

Der nächste gezeigte Beleg stammt von 1946, Dresden liegt jetzt in der Sowjwtischen Besatzungszone. Die Kamera-Produktion war trotz Reparationen in bescheidenem Umfang wieder aufgenommen worden, auch erste Präsentationen gab es wieder. Erstmalig (?) taucht in einem Absendervermerk der Ernemannturm auf.



Ausstellung Sächsischer Industrie- und Handwerkserzeugnisse

Die rechtlichen Verhältnisse im geteilten Deutschland waren doch recht kompliziert, die nachfolgenden Abbildungen illustrieren dies. Eigentlich hätte der Name Zeiss Ikon wohl in Dresden gar nicht mehr verwendet werden dürfen, denn die Namensrechte lagen seit einem Beschluss von 1948 in Stuttgart …
Trotzdem: Lange Zeit gab es den Namen Zeiss Ikon für das Dresdener Werk noch. Die folgenden Absenderfreistempel ziert das mittlerweile eingeführte Logo mit dem Ernemann-Turm; wie vorgeschrieben wurde zunächst rote Stempelfarbe benutzt, später dann blaue.




Zwei Briefe mit Absenderfreistempeln von Zeiss Ikon

1959 folgte dann – wie einleitend dargelegt - der Zusammenschluss mehrere Dresdner Kamerafabriken zum VEB Kamera- und Kinowerke.



Firmenbrief aus Polen an den VEB Kamera- und Kinowerke

Dieser Name hatte nur kurz Bestand denn 1964 wurde das Unternehmen dann in VEB PENTACON DRESDEN umbenannt. In den folgenden Jahren gab es weitere Eingliederungen von Betrieben in das (ab 1968) Kombinat VEB PENTACON. Geblieben ist aber der Ernemannturm als Markenzeichen.




Absenderfreistempel des VEB PENTACON von 1956 und Brief über den Zentralen Kurierdienst 1968

Eventuell wurde für letztgenannten Brief sogar dieselbe Freistempel-Maschine genutzt, nur mit Kurierdienst-Vermerk statt Deutsche Post und angepasstem Stempelkopf zuzüglich der mittlerweile eingeführten Postleitzahl. Beim Zentralen Kurierdienst sind mit Freistempel bisher nur drei Klischees von PENTACON Dresden bekannt (und ein weiteres nur mit Inschrift VEB Kamera- und Kinowerke) (5).

(5) Jörg Laborenz: Die Absenderfreistempel des Zentralen Kurierdienstes der DDR, Berlin 2004


Im Werbeeinsatz eines Maschinenstempels wurden damalige Kamera-Spitzenmodelle erwähnt, neben Praktika auch die in Niedersedlitz gefertigten Praktina und Praktisix (https://zeissikonveb.de/start/kameras/praktina_praktisix.html).
Aus philatelistischer Sicht ist der Brief mit MiNr. 662, dem sogenannten Pappchinesen, natürlich eine Besonderheit – es dürfte nicht viele bedarfsmäßige Verwendungen dieser Art geben!



Auch in der DDR hatte man schnell erkannt, dass Werbung notwendig ist; zwei Briefmarken-Emissionen zur Leipziger Messe stellten daher traditionell Produkte der volkseigenen Industrie in den Fokus. Erstmals wurde 1955 eine Kamera aus Dresden als Motiv auf einer Messe-Marke verwendet.



portogerechte Mehrfachfrankatur mit MiNr. 479

Möglicherweise wegen des Bekanntheitsgrades wurden neu hergestellte Klischees für die Absenderfreistempel mit dem Einsatzstück PRAKTICA versehen. In Dresden gab es auch einen sogenannten Industrieladen; dort waren manchmal Artikel zu bekommen, die üblicherweise nur für den Export in das Nichtsozialistische Wirtschaftsgebiet (NSW) vorgesehen waren – also nur gegen Devisen erhältlich waren.



Absenderfreistempel  PRAKTICA auf Brief vom Industrieladen


Wenn nichts anderes angegeben:

Alle in diesem Artikel abgebildeten philatelistischen Belege, Briefmarken, Vignetten, Ansichtskarten, Objekte und Fotos stammen aus den Sammlungen von Peter Kny IPV, Michael Schneider IPV, Dr. iur. Axel Eska IPV, Eduard Mahnert IPV, Thomas Wünsche IPV, Edelbert Fobe IPV, Arndt Göbel IPV sowie Wolfgang Graf. Vielen herzlichen Dank allen „Lieferanten“!