Hindenburg Frankaturen Teil 11
Hindenburg als Postaufgabeort - oder das größte Dorf Europas
Hindenburg als Postaufgabeort wird heute zumeist im heutigen Polen lokalisiert. Damit überrascht das Folgende wohl einige: Hindenburg ist auch ein Ortsteil der Gemeinde Hohenberg-Krusemark im Landkreis Stendal, Sachsen-Anhalt und bis zur Eingemeindung im Jahr 2008 selbständig. Der Ort Hindenburg wurde immerhin schon 1267 erstmals urkundlich erwähnt und war wohl schon deutlich früher besiedelt; im 19. Jahrhundert waren noch Reste einer Burganlage sichtbar. Architektonischer Höhepunkt ist heute eine Feldsteinkirche im Baustil der Romanik, also Frühmittelalter. Ganze 350 Einwohner zählt der Ortsteil heute. Ja was hat das alles mit der Person des Reichspräsidenten zu tun? Genau dieser Ort war wohl Ausgangspunkt und Namensgeber der Familie von Beneckendorff und von Hindenburg, so der volle Name. Die Pfarrei Hindenburg gehörte zur preußischen Provinz Sachsen, wie der schöne Einschreibebeleg für 30 Pf ab "Hindenburg" 28.11.12 nach "Egeln bei Magdeburg" belegt (Abb. 1),
Abbildung 1
"Hindenburg (Prov. Sachsen)." Dieser Einschreibezettel dürfte bei einem so kleinen Ort nicht so häufig sein, der Beleg war auch ein Auktionslos. Eine Nachfrage beim einheimischen Sammlerverein "Stendaler Roland" bestätigte diese Einschätzung.
Bis 1949 trug auch das heutige Lindenhagen in der Uckermark den Namen Hindenburg, sowie ein Stadtteil Templins ebenfalls in der Uckermark heute noch so benannt ist. Verschwunden sind aber die in die Tausende gehenden Straßen, Plätze und Brücken, die nach dem Sieger von Tannenberg benannt waren, siehe zur geschichtlichen Bewertung Hindenburgs den
vorhergehenden Teil. Da diese Umbenennungen rasch nach dem Weltkrieg geschahen, wird sich heute daran kaum jemand noch erinnern.
Bekannt aber, zumindest in Familien, die ehemals aus Schlesien stammen, ist der Ort Hindenburg in Oberschlesien. Für Philatelisten bemerkenswert ist, dass als Hauptsehenswürdigkeit der heute von 175 Tausend Menschen bewohnten Stadt die Hauptpost geführt ist. Gelegen mittig zwischen Gleiwitz und Beuthen, nördlich von Kattowitz, lebten vor hundert Jahren schon mehr als 50.000 Menschen in Zabrze, so wie der Ort heute auch wieder benannt ist. Auch seine Besiedlung ist bis ins 13. Jahrhundert belegbar. Zabrze unterfiel erst böhmischer, dann habsburgischer und preußischer Herrschaft und gehörte folglich im I. Weltkrieg zum Deutschen Kaiserreich. Infolge des Sieges über die in Ostpreußen eingefallene russische Südarmee Ende August 1914; die Russen verloren trotz erheblicher Übermacht eine ganze Armee mit über 120.000 Soldaten; wurde Hindenburg im Reich als Volksheld verehrt. Besonders die ostpreußische Bevölkerung brachte ihm Dankbarkeit entgegen. Daraufhin beschloss der Landkreis für Zabrze, am 21.5.1915 zu Ehren des Generaloberst, die Stadt nach ihm zu benennen. Warum eine schlesische Stadt diesen Schritt vollzog, lässt sich heute kaum mehr vollständig klären. Vielleicht sollte damit auch ein Zeichen an den starken polnischstämmigen Bevölkerungsanteil gesetzt werden? Immerhin war es auch nach heutigem Verständnis ein demokratischer Verwaltungsvorgang, anders als 1953 bei der Umbenennung der sächsischen Industriemetropole Chemnitz in Karl-Marx-Stadt. Die politischen Umstände änderten sich mit dem verlorenen Weltkrieg 1918 und über die Zukunft der reichen Bergbauregion entschieden die Siegermächte. Der Versailler Vertrag sah zum Entsetzen der deutschen Bevölkerung zunächst vor, dass ganz Oberschlesien an Polen abgetreten werden sollte. Die Deutschen hat hier insofern Glück, dass England dagegen votierte und man sich daraufhin auf Art. 88 Versailler Vertrag einigte, der vorsah, dass die Bevölkerung im Wege einer Volksabstimmung selbst entscheiden sollte, ob sie zu Polen oder Deutschland gehört. Am 12.2.1920 übernahm die sogenannte Interalliierte Regierungs- und Volksabstimmungskommission, die ab 20.2.1920 dann französisch anmutende Postwertzeichen verausgabte. Der Autor rätselte als Schüler, welches Land wohl die Marken mit Pfennig-Eindruck aber den französischen Schriftzug "Haute Silesie" verkörperten. Obwohl geschichtlich interessiert, war ich da noch nicht zu den aberwitzigen Verästelungen deutscher Geschichte vorgedrungen. Aber es kann auch philatelistisch verwickelt werden, um beim Thema zu bleiben:
Abbildung 2
Der Autor erwarb eine Sammlung, worin sich ein als Rarität beschriebenes Auktionslos befand, ein Ersttagsbeleg vom 20.2.1920 "Tarnowitz" (Abb. 2). Der Beleg war sowohl mit reichsdeutscher Frankatur zweimal Michel 107 als auch Oberschlesien Michel 6 zu 20 Pf frankiert. Die Losbeschreibung "Am Vortag aufgeliefert und noch korrekt frankiert, waren die Marken am 20.2. ungültig, weshalb die neue 20 Pf-Marke Oberschlesiens zufrankiert wurde und alle drei Marken in Tarnowitz am 20.2.1920 gestempelt wurden. Große Rarität." Als mir BPP-Prüfer Herr G. Gruber freundlicher Weise telefonisch seine Zeit schenkte, meinte er nur, "Da hat sich immer ein Trottel gefunden, der darauf seinen Stempel abschlug, nichts Besonderes!" Also wurde meine "Rarität", die sie auch am Vortag noch war, zu "nichts Besonderem"; Sammler müssen wie alle auch mit Neubewertungen leben.
Die hunderttausende Menschen in Oberschlesien lebten nicht nur mit neuen Brief-marken, immerhin 43 Michelnummern, sondern im staatsrechtlich/politischen Schwebezustand, ehe am 20.3.1921 die Volksabstimmung stattfand. Mit berg-männischen "Glück auf"-Grüßen ging fünf Tage zuvor, am 15.3.1921 ab "Hindenburg" mit oberschlesischer Frankatur Michel 16, 18 eine sogenannte Abstimmungspostkarte (Abb. 3) auf die Insel Borkum.
Abbildung 3 (Vorderseite)
Abbildung 3 (Rückseite)
Der Autor vermutet, dass hinter "K.i.K.W. A.G." wohl auch ein Steinkohle-Unternehmen steht. Die Postkarte mit dem bildseitigen Zudruck "Die alte Heimat" im Bildspagat zwischen Zeche, Scholle und Kirche und rückseitigem Logo "Helft am Schicksaltage unserer Heimat" lässt keinen Zweifel, wie Absender und wohl auch Empfänger abstimmten. Und obwohl die Mehrheit für Deutschland stimmte, machten die Sieger daraus einen "Kompromiss", der zur Teilung Oberschlesiens führte und Ost-Oberschlesien Polen zusprach. Hier ist nicht der Platz, Berechtigung und Folgewirkungen zu behandeln, Hindenburg gehörte ab Juni 1922 jedenfalls zum Deutschen Reich. Erst am 1.10.1922 erhielt die jahrhundertealte und mehrere zehntausend Menschen starke Gemeinde Stadtrecht! Zuvor konnte sie sich mit dem Titel schmücken, das "größte Dorf Europas" zu sein.
Abbildung 4
Die Bevölkerungsmehrheit freute sich über den Wahlausgang und das Stadtrecht, mindestens genauso wie sich der Autor über den Besitz eines Schreibens des Magistrats von Hindenburg an den Magistrat in "Leipzig" ab "Hindenburg" 12.9.1929 freut (Abb. 4). Und da der Beleg mit der runden Einschreibenummer 500 und mit DR Michel 420 mit dem Portrait des Namensgebers "motivgleich" frankiert und zudem entwertet mit dem passenden MWSt "Schreib (Oberschl.)/ und nicht O.S." ist, könnte das Sammlerglück doch ganz vollständig sein. Nur das das Porto macht wieder mal Probleme, 30 Pf Einschreiben plus 15 Pf für den normalgewichtigen und zutreffend wohl 30 Pf für den doppel-gewichtigen Brief, der keine Drucksache ist. 50 Pf Porto passen nicht. Alles Gute ist eben kaum beisammen.
Ein Blick zurück auf einen Einschreibe-Beleg ab "Hindenburg" vom 23.11.1923 (Abb. 5)
Abbildung 5
ins benachbarte Gleiwitz, das 1939 noch eine besondere Rolle spielen sollte (
Teil 10 der Serie). Hier sind tatsächlich 40 Milliarden Reichsmark verklebt, DR Michel 337 im Viererblock, und das Porto stimmt für die Portoperiode ab 20.11.1923: sowohl Einschreibe- als auch einfaches Fernbriefporto jeweils 20, jedoch Milliarden Reichsmark. Es waren schon verrückte Zeiten, wenn ein Porto von 50 Pf zu gering ist, eins von 40 Milliarden Mark jedoch passend.
Ein schönes Zeitdokument dafür geben auch zwei Dienstkarten mit dem eingedruckten Siegel "Staatliche Bergwerksdirektion Hindenburg" her (Abb. 6+7).
Abbildung 6
Abbildung 7
Eine trägt noch den Zudruck "Frei durch Ablösung Nr. 21", die andere schon nicht mehr. Beide sind 1923 abgestempelt in "Zabrze." Halt, das kann doch infolge der Umbenennung nicht sein und ein genauer Blick auf den nicht ganz deutlichen Stempel erhellt den Aufgabeort in "Zaborze". Dank wikipedia lernt man, dass es sich dabei um einen von siebzehn Stadtteilen von Hindenburg handelt. Die beiden Karten aus gleicher Korrespondenz nebeneinander betrachtet zeigen auch schon schön die Rasanz der Portoentwicklung. Reichten am 8.1.1923 noch drei Dienstmarken DR Michel 33, mussten am 9.2. des gleichen Jahres bereits fünf dieser Marken für dann 25 Reichsmark verklebt werden. Es wurde noch viel teurer, das ist bekannt (siehe Abb. 5).
Nahezu unbekannt ist ist ein weiterer, vierter Ort mit den Namen Hindenburg. Was in Oberschlesien ging, musste in Ostpreußen erst recht gehen: Der kleine Ort Groß Friedrichsgraben I wurde am 9.8.1918 nach dem nunmehrigen Generalfeldmarschall benannt. Der Ort liegt bei Labiau, heute Polessk im Kalingrader Oblast Russlands, damals reichlich 1.000 Einwohner stark. Heute sollen hier noch fünfzig wohnen. 1929 wurde dorthin der Forstschutzbezirk Agilla eingemeindet.
Abbildung 8
"Agilla" kann der Autor auch belegen (Abb. 8), nunmehr mit gewohnter Medaillon-Frankatur, wobei sich der Absender wohl bewusst war, dass sein Brief später mal für eine Sammlung herhalten muss: Gleich dreimal verklebt er das Hindenburg-Medaillon und setzt mit Schreibmaschine an den linken Rand "Der Bürgermeister, in Hindenburg Kreis Labiau." Schade, dass der Stempel "Agilla/über Labiau" vom 1.2.37 schwach abgeschlagen ist; häufig ist er sicher nicht.
Dr. Axel Eska
Quellen: www.wikipeda