Ältester Briefmarkensammlerverein Deutschlands


Hindenburg Frankaturen Teil 10
Hindenburgs Platz in der Geschichte oder die Last der persönlichen Verantwortung


Hindenburg wird heute oft als willfähriger Türöffner der Nationalsozialisten und als „intellektuell beschränkter“ Politiker (Philatelie 3/2019, S. 32) beschrieben. Im DDR-Geschichtsunterricht wurde er dem Autor als "Steigbügelhalter" der Nazis dargestellt. Sündenböcke sind immer gesucht, zumal wenn es gilt, den Super-Gau deutscher Geschichte zu erklären; die Periode der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft.
Hindenburg stammt aus einer preußischen Offiziersfamilie und sein ganzes Sein war das des Offiziers. Er hat schon 1877 als Hauptmann Dienst im Großen Generalstab verrichtet. Man darf annehmen, nur überdurchschnittlich intelligente Offiziere waren für eine Generalstabslaufbahn geeignet. Sein legendärer Sieg bei Tannenberg 1914 in einer für das Deutsche Reich prekären Situation durch gleich zwei eindringende russische Armeen in Ostpreußen ist auf eine schon vorhandene Planung zurückzuführen. Die sich anschließende  Siegesserie an der Ostfront  steht ihm aber im Tandem mit Ludendorff zu



Abbildung 1

(Abb. 1). Er hat nicht die Strategie des „Weißblutens“ an der Westfront zu verantworten, den uneingeschränkten U–Boot–Krieg sehr wohl, den er als Antwort auf die Seeblockade Großbritanniens gerechtfertigt sah, die in Deutschland zum Verhungern zehntausender Zivilisten führte. Man muss ihm, dem alleinigen Träger der höchsten militärischen Auszeichnung des Kaiserreiches – dem Großkreuz zum Eiserner Kreuz, keine Sympathie entgegenbringen. Das rechtfertigt jedoch nicht, ihn in eine Schublade mit Kriegsverbrechern und Völkermördern zu stecken.
Beachtlich und wenig bis gar nicht kommentiert ist Hindenburgs Verhalten im November 1918 gegenüber seinem Kaiser und preußische König Wilhelm II.
Auf diesen hatte er seinen soldatischen Treueeid geschworen, wie auch schon sein Vater vor ihm. Wilhelm II. suchte im Hauptquartier im belgischen Spa die Unterstützung „seiner“ Offiziere. Doch Hindenburg ließ ihn gar nicht vor und machte ihm dadurch klar, dass er ihm nicht folgt. Ein „Marsch auf Berlin“ war damals durchaus eine Option als Antwort auf revolutionäre Entwicklungen im Herbst 1918 und ein General mit dem auch heute noch bekannten Namen von der Schulenburg favorisierte diese.
Nicht jedoch Hindenburg. Dem Kaiser blieb aber aufgrund der Haltung seines obersten Offiziers, dessen Verhalten den schönen Spruch vom preußischen Kadavergehorsam ad absurdum führte, nichts anderes übrig, als aufzugeben. Hindenburg, der seinem König und Kaiser durch soldatischen Eid verpflichtet war, sah seine Verantwortung für Preußen, seine Soldaten und Deutschland als Ganzes.



Abbildung 2

Dazu bedurfte es Charakterstärke und Format und beides hat Hindenburg aus Sicht des Autors in dem entscheidenden Moment gezeigt. Von Format spricht auch seine übergroße, klare und kraftvolle Handschrift in einem Dankesschreiben, frankiert mit einer Marke mit seinem eigenen Portrait DR Michel 414 ab "Berlin NW 7" 8.10.31 (Abb. 2, Dankesschreiben mit Autograph Abb. 3).



Abbildung 3

Man muss sich nur einmal vergegenwärtigen, wie man heute insbesondere den "Eid auf den Führer“ als Rechtfertigung für die übergroße Mehrheit der deutschen Offiziere bis 1945 gelten lässt, zu gehorchen, statt aufzubegehren. Und dies bezogen auf einen Zeitpunkt, wo Deutschland zerbombt war und am existenziellen Abgrund stand.
1933 dann hat Hindenburg, er war inzwischen Reichspräsident (Anschreiben an ihn mit Aushilfs R-Zettel, dreimal Michel 414, Abb. 4), Hitler in die Reichsregierung berufen.



Abbildung 4

Das wird heute als unverzeihlicher Fehler gesehen. Aber die NSDAP war damals noch keine verbotene Organisation, sondern die in den Reichstagswahlen mit den meisten Stimmen gewählte Partei. 1932 erreichte sie bei fast 85%iger Wahlbeteiligung 37 % der Stimmen und stellte mit 230 Reichstagsabgeordneten fast 100 Abgeordnete mehr als die SPD als zweitstärkste Kraft. Hinter dem teuren Wahlkampf der Nazis mittels Flugzeug, das erstmals mehrere Auftritte des Wahlkandidaten in verschiedenen Städten an einem Tag ermöglichte, stand nicht die deutsche Schwerindustrie, wie man oft behauptet. Vielmehr trug sich der Wahlkampf ganz überwiegend aus Mitgliedsbeiträgen, was heute dann doch für viele ein überraschendes Ergebnis von Quellenstudien ist.



Abbildung 5

Das Rheinland war bis 1930 besetzt (Abb. 5 mit EF DR Michel 445 in seltener Auslandsverwendung) und es gab internationale Verträge, die Reparationsleistungen Deutschlands bis ins Jahr 1982 vorsahen. Dagegen gerichtete nationale Tendenzen in Deutschland und das Gefühl, die Opfer im Krieg bis 1918 dürfen doch nicht umsonst gewesen sein, sind damit leicht erklärbar, um nicht zu sagen, vorhersehbar. Gezeigt wird dazu eine  Dienstkarte  des thüringischen Amtsgerichts  Ohrdruf vom 17.3.1934 (Abb. 6)



Abbildung 6

mit dem seltenen Propagandastempel "Wer behauptet, Deutschland sei am Kriege schuld, lügt. Die Lüge ist die Wurzel unserer Not." Der Stempel verdeutlicht gut die verbreitete Empörung über den sogenannten Diktatfrieden, der Deutschland wirtschaftlich, politisch, militärisch aber auch moralisch als einzigen Kriegsschuldigen ins Abseits zwang. Der Propagandastempel ist privater Herkunft, abgeschlagen aber auf der Dienstsache neben dem Behördenstempel erlangt er beinahe amtlichen Charakter. Das so etwas überhaupt möglich war, lässt die Annahme zu, dass der zeichnende promovierte Amtsgerichtsrat deswegen keine Sanktionen fürchten musste. Der Begriff "Machtergreifung" ist im Ergebnis nicht falsch, er kaschiert aber aus Sicht des Autors die bereits zu Beginn vorhandene große Zustimmung weiter Bevölkerungskreise zu den Nationalsozialisten.



Abbildung 7

Hindenburg, der aufgrund Spenden selbst Ende der 20er in den sog. Osthilfeskandal (Privatganzsache zur Hindenburgspende mit entspr. MWSt, Abb. 7) verwickelt war, mochte Hitler persönlich nicht: Der kleine Mann, der weder Fleisch aß noch Wein trank, erschien ihm nicht mit dem nötigen Format versehen. Für Hindenburg war nicht vorstellbar, dass die Deutschen bald den „böhmischen Gefreiten“ als Führer verehren und bereit sein würden, ihm fanatisch in eine totalitäre Umwälzung der Gesellschaft und in einen Weltkrieg zu folgen. Eine Werbedrucksache ab "Leipzig" 7.3.31 verdeutlicht seine gesellschaftliche Stellung als Reichskanzlers in der Weimarer Republik quasi als "Ersatzkaiser." Hitler darauf trägt Zivil, ist oben rechts abgebildet und gibt im wörtlichen Sinn eine Randfigur ab, vor ihm der Nobelpreisträger Einstein (Abb. 8).



Abbildung 8

Man darf geschichtliche Weichenstellungen nicht mit dem Wissen der Zukunft richten, man sollte aber versuchen, sie zu verstehen. Hindenburg war nicht DER ausschlaggebende Grund der Machtergreifung der Nationalsozialisten. Er hat die sogenannte Ermächtigungsverordnung unterzeichnet, wofür Art. 48 der Weimarer Verfassung die Rechtsgrundlage bot, wenn auch umstritten. Der Reichstagsbrand gab den Anlass. Hindenburgs vorhergehende Entscheidung, mit Notverordnungen das Land zu regieren, war dem Umstand geschuldet, dass die fünf Reichskanzler vor Hitler im Reichstag keine politische Mehrheit hatten.
Hitler selbst wurde von vielen als Mittel zum Zweck gesehen, wieder ins ruhige Fahrwasser zu gelangen, eine nationalkonservative Regierung zu etablieren und die Gefahr einer kommunistischen Regierung zu bannen. Die quasi von Stalin diktierte und vom Vorsitzenden der Kommunistischen Partei Deutschlands Ernst Thälmann unkritisch, ja in dieser Situation unverantwortlich umgesetzte Strategie der KPD der kompromisslosen Bekämpfung der Sozialdemokratie als größten Feind des deutschen Proletariats führte fataler Weise zum Erfolg des Todfeindes der Sowjetunion. Diese wurde 1941 dann von den Nazis auch mit einem Vernichtungsfeldzug überrollt, dessen Zielrichtung nicht einmal dem planenden Generalstabsoffizier Halder einleuchtete. Doch zurück zu Hindenburg und seiner Verantwortung in Bezug auf Hitler.
Man bedenke, wie der britische Premier Chamberlain 1938, also nach der gewaltsamen Machtstabilisierung der Nazis im Inland, ihren Rassengesetzen, der Aufrüstung und der Unterstützung Francos „Herrn Hitler“ beurteilte. Er traute ihm zu, sich an schriftliche Zusagen, dem Münchner Abkommen zu halten, sah in ihn einen Mann, der keinen Krieg wollte. Die deutsche Propagandakarte frankiert mit DR Michel 673, 674 und Ersttagsstempel "Saarbrücken" zeigt ihn lachend, der französische Außenminister hat seinen Blick gesenkt (Abb. 9). Zu diesem Zeitpunkt hatte die Legion Condor schon Guernica in Schutt und Asche gebombt.



Abbildung 9

Hindenburg war da schon länger als vier Jahre tot und sein Leichnam war gegen seinen Willen in einem Nationaldenkmal begraben. Hätte Hindenburg es 1933 besser wissen müssen? Man ist schnell geneigt, diese Frage zu bejahen, denn dies entlastet viele, die dann später ihm folgten und sich rechtfertigen mussten, nicht innegehalten bzw. opponiert zu haben. Da tut es wohl ganz gut, wenn man mit Hindenburg einen Sündenbock hat, dem das dann folgende totale Fiasko angelastet werden kann.
Hindenburg zum Sündenbock zu machen, sieht der Autor sehr kritisch, weil damit nicht nur die zigtausende individuelle Verantwortung verharmlost wird, siehe die oben dargestellte Unterstützung der NSDAP durch ihr Wahlvolk. Der Wunsch nach „Generalabsolution“ für dieses epochale Versagen findet seinen Ausdruck auch im Terminus „Stunde Null“, der in Westdeutschland noch heute für den Beginn in der Trümmerwüste von 1945 verwendet wird und der den Mantel des Nicht–Fragens und damit der Nicht–Verantwortung über alle breitet. Der Autor sieht dabei einen besonders entscheidenden Anteil der Bevölkerung sich unter diesen Mantel flüchten: die Eliten. Wer mehr Bildung und Vermögen hat, trägt auch eine höhere Verantwortung. Doch den deutschen=bürgerlichen Eliten war die Ausschaltung der Kommunisten recht, Antikommunismus war quasi Mainstream, umso mehr, als nach dem sogenannten Röhm-Putsch der eine weitere Umwälzung fordernde Teil der Nazi-Bewegung ausgeschaltet, d.h. umgebracht war. Führende Juristen verfassten Schriften wie "Der Führer schützt das Recht", statt Protest zog Erleichterung ein. Man sah zuvorderst eigene Karrieren; siehe Folge 9 und dort Abb. 1. Anwälte, Banker, Chirurgen...das ABC der Berufsgruppen, die erst bei der Entlassung und dann Deportation ihrer Kollegen wegschauten, kann bis zum Ende geführt werden. Militärs beriefen sich auf ihren Eid und fanden im wirklich entscheidenden Moment nicht zu einer Haltung, zu der Hindenburg 1918 zu seinem Kaiser und für Deutschland fand.
Ein letzter Abstecher zur "Wilhelm Gustloff", auch wenn das scheinbar hier überhaupt nicht her passt. In der Philatelie 1/2021 war eindrücklich über den  Untergang des in der Ostsee torpedierten Flüchtlings- und Verwundetentransporters am 30.1945 nachzulesen. Dabei ertranken 9.000 Menschen, darunter viele Kinder, Krankenschwestern ... aber unter den 1.400 Geretteten befanden sich alle vier Kapitäne der "Gustloff." Mehr fällt mir zu diesem Thema nicht mehr ein. Oder doch: Lesen Sie unbedingt den Artikel von Jan Kixmüller "Ein Foto und seine Legende", zum Zustandekommen des berühmten Fotos vom Handschlag Hindenburgs und Hitlers vor der Potsdamer Garnisionskirche 1933.



Abbildung 10

Der letzte Beleg dieses Beitrags ist ein Brief aus 1942 aus "Ruppersdorf"/Sudetenland 15.6.42 (Abb. 10), woraus und aus anderen Gebieten in Folge des Krieges  dann 16 Millionen Deutsche flohen oder vertrieben wurden. Neun Köpfe der Dauerserienmarken schauen sich in seltener Häufung für nur 42 Pf Porto an:  Dreimal Hindenburg und sechsmal Hitler, nach Pfennigwerten steht es 7 zu 35.

Dr. Axel Eska

Quellen:
www.wikipeda, Dr. B. Marczinske in Philatelie 1/2021, S. 38 ff., J. Kixmüller "Ein Foto und seine Legende" im Potsdamer Tagesspiegel 19.03.2014