Ältester Briefmarkensammlerverein Deutschlands

 
Vor 95 Jahren flog die „BREMEN“

Wer durch die schöne Altstadt der Hansestadt Bremen bummelt und erstaunt wahrnimmt, dass dort tatsächlich die Bremer Stadtmusikanten zu sehen sind, wird aufgrund der vielen Eindrücke zwischen Roland, Bremer Rathaus und Weser nur mit etwas Glück an einem Gebäude eine große steinerne Gedenktafel wahrnehmen. Sie erinnert an die erste Überquerung des Atlantiks mit einem Flugzeug von Ost nach West im Jahr 1928. Aber wieso Bremen und 1928? War es nicht Charles Lindbergh, der mit der SPIRIT OF SAINT LOUIS als erster im Alleinflug und direkt den Atlantik querte und zwar schon 1927?

Tatsächlich schaffte das Duo der beiden Weltkriegspiloten Alcock/Brown nach sechzehnstündigem Flug bereits am 14./15. Juni 1919 die erste Non-Stopp-Querung. Allerdings unter haarsträubenden Umständen: Der Auspuffkrümmer eines der beiden Rolls-Royce-Motoren verglühte, man schmierte mehrfach ab und erst kurz vor der Meeresoberfläche konnte das Flugzeug wieder auf Steigflug gebracht werden. Mehrfach drohte einer der Motoren zu vereisen und der Copilot musste fünfmal auf den Rumpf des Flugzeugs klettern und Eis vom Vergaser abschlagen-während des Fluges natürlich! Und zu guter Letzt landete man infolge sehr schlechter Sichtverhältnisse gleich beim ersten Anzeichen von Land auf eine sumpfige Wiese in Irland, wo das Flugzeug mit dem Heck nach oben sich festbohrte; ein Husarenritt sonders gleichen; beide Piloten wurden dafür geadelt.

Der schwedischstämmige Amerikaner Charles Lindbergh war zwar erst 25 Jahre alt, hatte jedoch als Postflieger und Berufspilot in den Weiten der USA ausreichend Erfahrungen gesammelt und verfügte zudem über sehr gute navigatorische Fähigkeiten. Am 20./21.5.1927 querte er als erster allein im Flugzeug den Atlantik und erreichte nach 33 Stunden Flug Paris-Bourget und damit europäisches Festland (Abb. 1 und 1a).


Abb. 1: FDC mit der Flugpostmarke zu Ehren Lindenberghs (schon) vom 18.06.1927
Abb. 1a: (oben) die Marke mit der eingezeichneten Flugroute Lindenberghs

Hier soll der Augenzeuge-Bericht des deutschen Journalisten Friedrich Sieburg auszugsweise wiedergegeben werden - denn er ist ebenfalls eine-journalistische-Meisterleistung:

„Die fortschrittsgläubige Menschheit hat gestern einen jener Tage erlebt, die sie als Markstein in der Geschichte ihrer Entwicklung zu betrachten pflegt…Das Flugzeug war gestern um 08.20 Uhr in der Nähe von Cherbourg gesichtet worden. Die Völkerwanderung zu dem Pariser Flughafen Le Bourget setzte sogleich mit einer Gewalt ein, die alle Vorstellungen überschritt.
Um 10 Uhr war das Gelände zwischen Paris und dem Flugplatz von einer Menge angefüllt, die auf hunderttausend geschätzt wird. Noch hielten sich die Scharen dichtgedrängt hinter den eisernen Gittern, welche das eigentliche Flugfeld von dem übrigen Gelände absperrten…
Unterdessen suchten die Scheinwerfer den Himmel ab. Alle zwei Minuten fuhr eine leichte Rakete in die Nacht. Der gewaltige Leuchtturm von Mont Valerien setzte ein und dieses ungeheure Konzert von Strahlen, Flammen und Feuer und Licht spottete des Mondes und der Sterne, die armselig und geschlagen am Himmel standen.
Um 10.15 Uhr wurde das erste Motorgeräusch gehört, die Scheinwerfer rollten aufs Feld und legten ihren breiten Lichtteppich auf die Startbahn. In diesem Augenblick durchblitzte ein silbernes Etwas den schmalen Kegel, und wenige Sekunden später schwebte der Eindecker des Amerikaners über der Wiese, um dann in einem leichten, zierlichen, ja zarten Schwung auf den festen Boden aufzusetzen.
In diesem Augenblick erfolgte der Dammbruch. Der menschliche Ozean, der mit ungeheurem Getöse den Platz umspülte, durchbrach die eisernen Schienen, riß die abtrennenden Wände über den Haufen, zertrampelte alle Hindernisse, und nun setzte die wahnsinnige Attacke von 20 000 bis 30 000 Menschen ein, die wie eine angreifende Armee brüllend und schreiend über das Feld rannten und in wenigen Minuten das Flugzeug Lindberghs dicht umschlossen hatten. Es ist eine Tatsache, dass Lindbergh nur mit knapper Not mit dem Leben davonkam.
Vor vierzehn Tagen kannte ihn noch kein Mensch, und er gehörte zu der großen Armee von Unbekannten, die gerade in seinem Land am emsigsten und zähesten wimmelt und krabbelt, um in die Höhe ans Licht zu kommen. Heute fliegt sein Name millionenfach um die Erde. Was er geleistet hat, wird wenig praktische Folgen haben, und doch bleibt er ein leuchtendes Ereignis für die Menschheit…
Wenn gestern hunderttausende Franzosen ihre Gesichter zum Himmel gewandt hielten und mit ihrem namenlosen Jubel diesen blonden Jungen begrüßten, so lag in ihrem Schrei auch der Wunsch, auch einmal aufzubrechen aus dieser
Namenslosigkeit, aus dieser Massenhaftigkeit, diesem Alltag, in dem wir alle unser Leben verbringen, auch einmal Stern zu sein und den Sternen nahe zu schweben. Und da wir es nicht können, so sei er Stern für uns alle.“

                                                                 Friedrich Sieburg, "Die Welt der Überflieger"

Was für ein Spracherlebnis und wohin haben wir uns entwickelt mit den vielen englischen Implantaten und wo unter Strafandrohung im Vordergrund steht, richtig zu gendern?

Zurück zur Fliegerei - Was blieb nach Lindberghs Erstflug noch übrig? Das Schwierigste: Die Überquerung des Atlantiks in Ost-West-Richtung gegen die starken Westwinde.

Die Konkurrenz unter den Fliegern und Piloten war enorm, war doch bereits einen Monat nach Lindberghs Sensationsflug durch die Amerikaner Chamberlin und Levin der Langstreckenrekord auf 5.800 km hochgeschraubt wurden. Die Amerikaner starteten auf Long Island/New York und mussten wegen Treibstoffmangels im Eichsfeld und dann nochmal in Cottbus zwischenlanden (Abb. 2), ehe sie nach 43 Stunden Flug in Berlin–Tempelhof ankamen. Der Empfang der dort wartenden 60.000 Menschen war frenetisch und hinterließ bei deutschen Fliegern einen nachhaltigen Eindruck und den Stachel, so etwas auch für sich und für Deutschland leisten zu wollen.


Abb. 2: Werbeumschlag Cottbus Flugplatz vom 14.09.2027 zu Ehren der beiden Piloten

Ehrenfried Freiherr von Hünfeld war einer von ihnen, von kränklicher Natur, 1914 in Flandern schwer verwundet und mit Verbindungen in allerbeste Kreise. In den 20ern arbeitete er nach dem Ausscheiden aus dem Diplomatischen Korps als Pressereferent des Norddeutschen Lloyd und frönte seinem Hobby, der Fliegerei. Seine umfangreichen Kontakte nutzend, kam er nach Dessau, wo die Junkers-Werke gerade ihr ersten Ganzmetallflugzeug, die F 13, langenstreckentauglich machten. Die daraus folgende W 33 wurden u.a. durch die von ihm vermittelte finanzielle Beteiligung des Norddeutschen Lloyd entwickelt und die ersten beiden Maschinen nach den damals modernsten Schnelldampfern des Lloyd BREMEN und EUROPA benannt.
In Dessau lernte von Hünfeld Herman Köhl kennen, im Weltkrieg Staffelführer eines Bombergeschwaders, ausgezeichnet wie u.a. Hermann Göring mit dem Pour le Merite und im letzten Kriegsjahr in französische Gefangenschaft geraten, aus der er 1919 fliehen konnte. Köhls besondere Begabung lag in der Fähigkeit, hervorragend navigieren zu können und nachts zu fliegen. 1925 organisierte er die erste Nachtfluglinie Berlin-Warnemünde-Stockholm und folgend Berlin-Danzig-Königsberg. 1926 wurde er mit diesen Qualifikationen für die eben gegründete Luft-Hansa deren Nachtflugleiter.
Hugo Junkers unterstützte persönlich die Entwicklung der Langstreckenflugzeuge und bestand im eigenen Firmeninteresse auf ausgedehnte Tests. So konnte die EUROPA am 3.8.1927 mit mehr als 52 Stunden in der Luft den bis dahin bestehenden Rekord überbieten.
Am 14.8.1927 war es dann soweit:  Beide Maschinen starteten gen Westen, doch die EUROPA musste wegen Motorprobleme rasch umkehren und notlanden, wodurch sie erheblich beschädigt wurde.
Die BREMEN erreichte die irische Küste, wo sie sich mit orkanartigen Gegenwinden konfrontiert sah und ebenfalls umkehrte. Es war wohl nur Köhls langjähriger Erfahrung zu verdanken, dass das Flugzeug im Nebel zurückfand.
An Bord hatte die Maschine die bekannten hochfrankierten Karten und Briefe mit dem zweizeiligen Kastenstempel „Befördert mit Luftpost mit Flugzeug Junkers W. 33“ mit einem Porto von 12 RM für eine Karte und immerhin 25 RM für einen Brief (Abb. 3). 


Abb. 3: Junkers-Brief vom 14.08.1927 zum missglückten Atlantikflug

Wenn man sich vergegenwärtigt, dass zu dem Zeitpunkt ein normaler eingeschriener Auslandsbrief 55 Pfennige kostete und für ganze vier Reichsmark ein Brief mit einem Luftschiff nach Südamerika mitfahren durfte, gewinnt man einen guten Eindruck für dieses doch als exorbitant hoch zu bezeichnende Beförderungsentgelt. Gleichwohl beförderte die BREMEN ziemlich exakt 2.000 Karten und Briefe, wovon auf einigen die Firma Junkers eingedruckt mit dem Schriftzug „Erste Luftpost/Dessau-New York“ warb.
Nun, dazu kam es wie eben geschildert nicht; die Post wurde zunächst für weitere Versuche zurückgehalten und am 4. Oktober 1927 dann endgültig den Absendern rücküberstellt. Dafür prangte dann auf den Belegen ebenfalls in Rot der Zweizeiler „Zurück/Flug nicht durchgeführt.“
Diese Niederlage schmerzte und führte zu einem Umschwung der Meinung in den Chefetagen und in der Presse, die allein 1927 zwölf über den Atlantik vermisste Piloten zählte, die zu einer Überquerung aufgebrochen waren. Auch das Jahr 1928 begann mit so einer Meldung; ein britischer Pilot und seine Copilotin verschwanden über den Wellen des Ozeans.
Doch von Hünfeld blieb konsequent und beschaffte das Geld, immerhin 80.000 Reichsmark leihweise von Bremer Kaufleuten, um den Rückzug seines Arbeitgebers, des Norddeutschen Lloyds, zu kompensieren. Und Köhl startete ohne Einwilligung seines Arbeitgebers, der Luft-Hansa, ab Irland zu weiteren Versuchsflügen und kommentierte seine deshalb erfolgte Entlassung „Wenn ich es nicht bis `rüber nach Amerika schaffe, brauche ich keinen Job mehr. Gelingt mir`s aber, brauche ich mich erst recht nicht um einen zu kümmern.“ (Abb. 4)


Abb. 4: Autogrammkarte Hermann Köhl

Ende März 1928 begaben sich Köhl und von Hünfeld nach Irland und warteten dort mit zwei Junkers-Mechanikern, der BREMEN und 2000 Liter Flug-Benzol auf besseres Wetter. Als ihr dritter Pilot absprang, erklärte sich der irische Flugplatzkommandant James C. Fitzmaurice freudenstrahlend bereit, mitzufliegen. Am 12.4.1928 war dann endlich der Wetterbericht gut und aufgrund des enormen Startgewichts der randvoll betankten BREMEN waren fünfzig Soldaten des Flugplatz–Regiments erforderlich, das Flugzeug aus dem Hangar zu schieben. Der Start mit dieser überschweren Maschine war ein wahres Himmelfahrtskommando: Erst querte ein Schaf die Startbahn und dann gelang es nur mit viel Glück, fliegerischem Können und der guten Aerodynamik der Junkers W 33, Höhe zu gewinnen; beim Fliegen der notwendigen Startkurve streifte der rechte Flügel des Flugzeugs die Grasnarbe. Die ersten zehn Stunden des Flugs verliefen bei klarem Wetter hervorragend und Köhl flog, um Treibstoff zu sparen, knapp über der Oberfläche des Wellenmeeres. Der Umstand, dass dort weniger Wind wehte und man deshalb schneller bzw. kraftstoffsparend flog, war damals schon bekannt. Dann drohten gewaltige Wolkenberge an, was kommen würde: ein Sturm. Normaler Weise wäre zu damaligen Zeit ein Flugzeug umgekehrt, denn der Flug ohne Sicht war mangels ausreichender Instrumente unmöglich; auch der Nachtflug funktionierte nur mittels leuchtender Sichtorientierungspunkte an Land. Über den Atlantik war ein Umkehren aber unmöglich, denn der Treibstoff reichte nicht bis zurück. Der Sturm war so hart, dass Köhl auf die Rückseite seiner Navigationskarte kritzelte „Das beste Mittel ist das Gebet.“ Es half und die Besatzung der BREMEN sichtete Land. Dieses lag in der kanadischen Provinz Quebec, 2000 km nördlich des eigentlichen Zielorts New York, doch das spielte keine Rolle. Auf vereister Fläche rund um die Leuchtturm-Insel Greenly Island glückte die Landung.  Es war Freitag, der 13. April 1923.
Die nun folgenden Abläufe zur Erreichung der Piloten, der Wettlauf der Journalisten zu der kanadischen Insel und zur Bergung der BREMEN geben Stoff für einen eigenen Abenteuerroman; der amerikanische Nordpolflieger Bennett kam dabei ums Leben und die in New York arbeitende Junkers-Tochter Herta flog eigenhändig eine F 13 nach Montreal.
Erst am 29.4.1923 erreichten die drei Piloten New York, wo für sie eine halbe Etage im Ritz-Charlton reserviert war. Am nächsten Morgen landete der Passagierdampfer DRESDEN mit den Ehefrauen von Köhl und Fitzmaurice an. Die kleine Tochter des Iren hatte ihren Hund dabei, den sie nach dem Flugzeug ihres Vaters benannt hatte. Am 30.4.1928 gab die Stadt New York zu Ehren der Flieger eine Parade und auf den Straßen standen die Menschen dichtgedrängt, um eine der größten Aufzüge zu sehen, die die Stadt bislang abgehalten hatte. Von den Hochhäusern regnete es Unmengen von Konfetti und 10.000 Soldaten marschierten zu Ehren der Flieger. Natürlich gab es einen Empfang durch den Präsidenten, Orden, Einladungen aller möglichen Institutionen etc.
Der Rummel setzte sich für die drei Flieger bei ihrer Ankunft im Juni in Deutschland fort (Abb. 5). Mit einer weiteren Junkers W 33 tourte das Trio dann vielumjubelt durch Deutschland und Europa.

  • Abb 5 vb
  • Abb 5 va
  • Abb 5 ha Huldigungskarten
  • Abb 5 hb Huldigungskarten

Abb. 5: verschiedene Huldigungskarten

Großes Glück war keinem der Teilnehmer verbeschieden: von Hünfeld starb bereits 1929 mit nur 37 Jahren an Krebs. Köhl wurde von seinem ehemaligen Fliegerkameraden Göring kaltgestellt, als dieser wenige Jahre später das Sagen hatte. Der Egomane duldete keinen anderen Stern am Fliegerhimmel und untersagte Köhl sogar die Vortragstätigkeit. Mit 50 Jahren verstarb 1938 Herman Köhl, Ehrenbürger seiner Heimatstadt Neu-Ulm (Abb. 6).


Abb. 6: Privatganzsache vom 3.4.1978 mit passenden Maschinenwerbestempel Neu-Ulm

James C. Fitzmaurice fand nach dem Abenteuer nicht mehr in seinem langweiligen Dienst als Flugplatzkommandant zurück; er ging in die USA und gründete auf Long Island einen Flugplatz, wohl nicht sehr erfolgreich, denn im Weltkrieg kehrte er nach London zurück. Mit 67 Jahren verstarb er 1965 verarmt, vergessen und krank in Dublin. Und auch dem Flugzeugpionier und erfolgreichen Unternehmer Hugo Junkers blieb ein guter Ausgang verwehrt: 1933 musste er verkaufen, durfte die von ihm aufgebaute Firma nicht mehr betreten und wurde bis zu seinem Tod am 3.2.1935 unter polizeilicher Aufsicht gestellt. Er war Pazifist und das vertrug sich nicht mit den Zielen der neuen Regierung.


Abb. 7: Messebrief der Deutschen Post mit MiNr. 2331 zum 75. Jubiläum des Fluges

Was bleibt ist die Pioniertat (Abb. 7), die Geschichte entschlossener Männer, denen sogleich Frauen wie Amelia Earhart oder Elly Beinhorn folgten, deren Mut belohnt wurde und deren Wunsch, mit der Tat die Völkerverständigung über ein Weltmeer hinweg zu befördern, letztlich späteren Generationen aufgehoben blieb und bleibt, denn die Generation der Kinder dieser Flugpioniere blieb auf den Schlachtfeldern des II. Weltkriegs, in den die Sturzkampfbomber Ju (für Junkers) 87 flogen. Es hätte anders, besser kommen können.

PS.: Als die Kinder des Leuchtturmwärters auf Greenly Island den starken Motor der Junkers hörten und dann in den Wolken das silberne Flugzeug wahrnahmen, riefen sie "Ein Fisch am Himmel."

Dr. Axel Eska

Quellen: www.wikipedia, MICHEL Katalog und „Die Welt der Überflieger“ Deutsche Post AG 2003