Ältester Briefmarkensammlerverein Deutschlands


300. Geburtstag Freiherr von Münchhausen

In 2020 feiern wir den 300. Geburtstag des Barons von Münchhausen. Sind Sie überrascht, dass sich hinter der Geschichte vom Lügenbaron eine reale Person verbirgt? Wen sehen Sie vor Ihrem geistigen Auge, wenn Sie an Münchhausen denken?   

Jan Josef Liefers in dem Fernseh-Mehrteiler von 2012 oder Hans Albers?

Der UFA-Klassiker unter der Regie von Josef von Baky und einer der ersten deutschen Farbfilme zog im Kriegsjahr 1943 mehr als 20 Millionen Zuschauer in die Kinos der deutschen Städte, die schon verheerenden Luftangriffen ausgesetzt waren.  Die Menschen berauschten sich an der exotischen Filmgeschichte, an Witz, Ironie und Fantasie, verkörpert vom großartigen Hans Albers (Bund Mi 1561), der für eine Traumgage spielte. Der Film war alles andere als ein Nazi-Machwerk: Gegen Russland fiel mitten im Krieg kein böses Wort und an Stelle militärischer Disziplin handelten Helden mit eigenem Kopf und Einfallsreichtum, um dem Schicksal lachend ein Schnäppchen zu schlagen. Mitverantwortlich für das Drehbuch war ein Dresdner: Erich Kästner, der nicht genannt werden durfte.



Abbildung 1: Einwurf-Einschreibbrief - gestempelt am Erstausgabetag

Welchen Zugang haben Sie zur Figur des Barons von Münchhausen? Meiner war der eines großformatigen und schön illustrierten Kinderbuchs der DDR. Es gab aber noch einen aktuelleren und völlig anderen, über den ich auf den Namen Münchhausen stieß: "Bibi und Tina" war in 2014 bis 2017 in drei Fortsetzungen unter jugendlichen Mädchen ein regelrechter Kinohit. Um meiner Tochter eine Freude zu machen, recherchierte ich nach dem Drehort des fiktiven Schlosses "Falkenstein" und wurde in Querfurt an der Unstrut fündig. Im dortigen Schloss Vitzenburg, Kulisse für den Kinofilm, residierte bis 1945 ein gewisser Rembert Freiherr von Müchhausen, pensionierter preußischer Regierungsrat. Da er zu Kriegsende annahm, dass man ihm nichts vorzuwerfen habe, flüchtete er nicht nach Westdeutschland, was sich als fataler Irrtum erwies. Den russischen Besatzern reichte seine Burgherrenstellung und man verbrachte ihn in das Speziallager Nr. 2 Buchenwald, wo er 1947 verstarb. Das war dann keine so schöne Geschichte, die sich überraschend fand.

Doch wer verbirgt sich hinter der Person des Lügenbarons? Hyronimus von Müchhausen wurde am 11. Mai 1720 im braunschweigischen Bodenwerder geboren. Er stammte aus einer Offiziersfamilie, einer seiner Vorfahren war Söldnerführer. Bereits mit 13 kam der Junge an den Hof nach Wolfenbüttel, an dem auch später Lessing (u.a. DDR Mi 423) eine Anstellung finden sollte. Mit 17 folgte er als Page dem Herzog Anton Ulrich von Braunschweig nach Russland, wo er am Türkenkrieg teilnahm und dort wohl auch Zeuge der Belagerung einer türkischen Festung auf der Krim wurde. 1740 wurde er zum Leutnant befördert, dann stagnierte aber seine Militärkarriere, da sein Herr in Russland in Ungnade gefallen war. Münchhausen verbrachte die folgenden Jahre in Riga bei seinem dort stationierten Regiment. Wo heute Lettland ist, herrschte früher baltischer Adel. Münchhausen heiratete, ging auf die Jagd und verbrachte viel Zeit auf Jagdgesellschaften. Die Abende verbrachte man in Herrenrunde am Kamin und der baltische Adel war für sein Erzähl- und Unterhaltungstalent bekannt, dem Müchhausen wohl rasch und gekonnt folgte.

1750 nahm er zum Rittmeister befördert seinen Abschied und kehrte mit seiner Frau ins heimatliche Bodenwerder zurück. Sein Leben hätte keinen Anlass geboten, noch in der Nachwelt weitererzählt zu werden, wenn nicht durch einen Zufall der aufgrund eines Diebstahls nach England geflohene Gelehrte Raspe aus Kassel im Exil auf einen Idee zum Broterwerb angewiesen gewesen wäre. So schrieb er die abenteuerlichen Erzählungen des Barons von Müchhausen auf, schmückte sie aus, übertrieb sie grotesk und die von Müchhausen ungenehmigte Veröffentlichung wurde 1785 ein voller Erfolg. Vier Nachauflagen folgten in London zu Raspes Freude und Gewinn und der Erfolg war so groß, dass sie von G.A. Bürger ins Deutsche übertragen und ausgeschmückt worden.


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Müchhausen gefiel das gar nicht; er fühlte sich der Lächerlichkeit preisgegeben. 1790 war seine Frau verstorben und sein Leben bot so wenig Erfreuliches. Doch Müchhausen wäre nicht Müchhausen, wenn er sich gramgebeugt zurückgezogen hätte. Er freite 1794 eine 20jährige und es kam, wie es kommen musste: Die junge Frau verließ ihn. Er reichte die Scheidung ein, die ihn ruinierte und deren Einzelheiten wiederum an die Öffentlichkeit traten, kurzum, es war kein schöner und ruhiger Lebensabend bis zu seinem Tod 1797.

Die Epochen überdauert hat aber nicht diese Geschichte. Die Menschen lieben die Müchhausen-Erzählungen wegen ihrer überraschenden Wendungen und ihres Witzes, des bewussten Überschreitens der Physik und des doch eigentlich Erwartbaren, ja des Triumphs  der Fantasie und des Individuums über langweilige Normalität und Konformismus.



Abbildung 2: Ersttagsbrief mit Sechserblock als Einschreibsendung und Sonderstempel Bodenwerder


Eine der Münchhausen-Geschichten greift als Markenmotiv die sehr gelungene Ausgabe Bund Mi 623 zum 250. Geburtstag des Freiherrn von Müchhausen auf. "Das durchtrennte Pferd" zeigt Müchhausen reitend auf einem Pferd, das nach dem Sattel durchtrennt ist. Der Geschichte nach soll sich das Hinterteil mit Stuten vergnügt haben, während der Reiter erst an einer Tränke stehend wahrnahm, dass hinter ihm doch etwas fehlt! Der geteilte Schimmel reitet auf dem Querformat der Marke auf grün leuchtendem Grund. Darauf hebt sich die prächtige Uniform Müchhausens detailliert ab. Sein Dreispitz wird von farbigen Federn geschmückt und der Reiter schwingt auch noch einen abenteuerlich gekrümmten Säbel - genauso eben, wie es sich für einen Müchhausen geziemt.  Der mit einem Sechserblock frankierte Ersttagsbrief aus "Bodenwerder" vom 11.5.1970 (Abb. 2) ist mit einem Sonderstempel versehen, der den Moment der Geschichte thematisiert, wo dem saufenden Pferd das Wasser hinten wieder herausschießt und so der Reiter das Kuriosum bemerkt.  Der Ersttagsbrief mit Stempel "Bonn" zeigt sowohl vom Stempel als auch vom Briefmotiv her das wohl bekannteste Münchhausen - Thema: Den Ritt auf der Kanonenkugel. Während sich der Baron auf dem FDC noch mit beiden Händen an der riesigen Kugel festhalten muss, grüßt er auf dem Sonderstempel den Betrachter (Abb. 3).



Abbildung 3: Ersttagsbrief mit Sechserblock als Einschreibsendung und Ersttagsstempel Bonn

Bei soviel Spass an der Geschichte und den Belegen, ist es dann auch völlig egal, ob das Porto für den Einschreibebrief stimmt oder nicht (wie vorliegend 30 Pf + 80 Pf).  Meine kleine Geschichte endet mit einem reizenden Vorphila-Brief, gestempelt zu "Berlin" am 21.6.(1839?) an einen "Herrn von Münchhausen in Gross Vahlberg, bei Braunschweig" (Abb. 4). Der Brief ist vollständig und der Absender trägt durchaus auch einen prominenten Namen, von Maltzahn. Es gibt keine Verbindung zu unserem historischen Geburtstagskind, dennoch ist es eine schöne Überraschung, wenn man seinen Familiennamen auf einen realen, nicht erdachten Brief findet!



Abbildung 4: Altbrief aus Berlin an einen Herrn von Münchhausen

Und noch eins. Die gezeigten Belege haben nahezu keinen "Wert" nach Katalog, groß ist jedoch der Gewinn an Wissen und an Freude, die man daraus ziehen kann.   

Dr. Axel Eska, IPV 1877 Dresden e.V.

Quellen : wikipedia, Michel Deutschland Katalog, Michel Briefe - Katalog Deutschland



Abbildung 5: Standardbrief - gestempelt am Erstausgabetag - mit Konkurrenzentwürfen