Ältester Briefmarkensammlerverein Deutschlands


Mare Balticum 2024 in Tartu

(ein Reisebericht von Heiko Weber und Thomas Wünsche)


In diesem Jahr war die Suche nach einer Briefmarkenausstellung an einem interessanten Ort nicht schwer. Unsere Wahl fiel auf die „Mare Balticum 2024“ in Tartu. Denn Tartu (deutsch und schwedisch Dorpat) ist nicht nur eine der ältesten Städte im Baltikum sondern in diesem Jahr auch eine der drei Kulturhauptstädte Europas. Damit war eine sinnvolle Kombination von Kultur und Philatelie fast schon garantiert. Unsere Reise begann am Busbahnhof auf der Ammonstraße. Von dort ging es mit dem Flixbus zum BER, auf dem es trotz negativer Schlagzeilen in den Vortagen völlig geordnet und ruhig zuging. Wir hatten auch keinerlei Stress, da wir schon am Vorabend die Mitteilung erhielten, dass unser Flug eine halbe Stunde später geht. Aus der halben Stunde wurde eine ganze – aber bei einem Direktflug ist das zu verkraften. Allerdings waren wir ja nach der Landung in der estnischen Hauptstadt Tallinn noch nicht am Ziel unserer Reise, denn auf uns wartete noch eine reichlich zweistündige Busfahrt in das 180 km entfernte Tartu. Wir stellten auch sofort fest, dass Estland seinem Ruf als eines der in Sachen Digitalisierung am weitesten fortgeschrittenen Länder Europas gerecht wird, denn Bustickets auf dem internationalem Flughafen an einem Schalter zu erwerben war nicht möglich – sie waren nur über eine App auf dem Smartphone erhältlich. Da ich das schon befürchtet hatte, waren wir entsprechend vorbereitet. Völlig überraschend hingegen der Umstand, dass die Busse, die selbst an einem Montag-Abend stündlich verkehren, ausgebucht sind. Das bedeutete 2 Stunden Wartezeit, Ankunft am Busbahnhof in Tartu nach Mitternacht und eine kleine Nachtwanderung zu unserem Quartier.

Tartu ist mit knapp 100.000 Einwohnern die zweitgrößte Stadt Estlands und wurde als Tharbatas 1030 erstmals urkundlich erwähnt als Jaroslaw der Weise (Großfürst von Kiew) das Gebiet unterwarf und dort eine Festung errichtete.


Sowjetischer FDC von 1980 anlässlich 950 Jahre Tartu

Diese Festung wurde 1224 vom Schwertbrüderorden (der später im Deutschen Orden aufging) erobert. Tartu wird unter dem Namen Dorpat Bischofssitz (bis 1558), entwickelt sich zur Hansestadt und wird ein wichtiges Bindeglied zwischen Europa und Russland. Nach wechselnden Besetzungen durch Polen und Schweden gehört Dorpat ab 1721 zum russischen Zarenreich. 1918 erlangte Estland seine erste Unabhängigkeit, die Sowjetrussland 1920 im Friedensvertrag von Dorpat dann auch anerkannte. 1940 wurde die inzwischen in Tartu umbenannte Stadt von der Roten Armee besetzt. 

1941 eroberte die deutsche Wehrmacht die Stadt, die aber bereits 1944 wieder an die Rote Armee ging und bis 1990 als eine Stadt in der Estnischen SSR Teil der UdSSR war.

Abb. links: Deutsche Besetzungsausgabe von 1941  "Wiederaufbau von Estland " - Alte Steinbrücke in Dorpat


Da die Ausstellung erst am Freitag begann, hatten wir noch 3 Tage Zeit um die Stadt und das Umland zu erkunden. Am Dienstag ging es erst einmal zum Rathausplatz. Zum einen ist dieser Platz mit seiner frisch sanierten klassizistischen Bebauung so etwas wie der Dreh- und Angelpunkt der Stadt. Zum anderen befindet sich im Rathaus die Touristeninformation, in der man die für die Nutzung der Stadtbusse notwendige Chipkarte erhält. Auf diese Chipkarte kann man dann per App den gewünschten Fahrschein laden und bezahlen. In der Touristen-information war das (für analoge Deutsche) aber auch mit dem Erwerb der Chipkarte möglich. Für eine Fünftageskarte bezahlten wir knapp 15 € (inkl. 2 € Gebühr für die Karte). Wir hätten aber im Bus auch völlig problemlos mit EC-Karte zahlen können (1,50 €/h).


Sowjetischer Ganzsachenumschlag mit dem Rathaus (Bildunterschrift in russisch und in estnisch)

Das 1789 fertig gestellte Rathaus wurde von dem aus Rostock stammenden Architekten Johann Heinrich Bartholomäus Walther entworfen und ist eines der Wahrzeichen der Stadt. Ein Großteil der Gebäude im Umfeld des Rathausplatzes wurde Ende des 18. Jhd. errichtet, nachdem Tartu 1775 einem verheerenden Stadtbrand zum Opfer fiel. Dort findet man auch das spektakuläre „Schiefe Haus“ (Foto rechts) in dem ein Teil des Kunstmuseums untergebracht ist. Der Untergrund des Platzes besteht aus setzungsempfindlichem Torfboden. Die Gebäude wurden  deshalb auf Holzbohlen gegründet. Infolge von Grundwasserspiegelschwankungen büßt das austrocknende Holz an Widerstandskraft ein, was zu einer allmählichen Geländeabsenkung führt. Das „Schiefe Haus“ gründet jedoch einseitig auf der alten Stadtmauer von Tartu, so dass sich nur die andere Seite nennenswert abgesenkt hat. Der Neigungswinkel des Gebäudes ist aktuell größer als beim Schiefen Turm in Pisa. Der Rathausplatz fällt allmählich zum Ufer des Emajögi (übersetzt „Mutterfluss“; dt. Name „Embach“) ab. Bevor man zum Fluss gelangt, muss man noch die Vabaduse Puiestee, eine vierspurige Straße, die parallel zum Ufer verläuft, überqueren. Im Sommer wird diese Straße jeweils für mehrere Wochen zur autofreien Zone erklärt. Auf einer Bühne finden kulturelle Veranstaltungen statt. Sitzecken, Liegestühle und Hängematten laden zur Entspannung ein. Es kann Tischtennis gespielt werden und für das leibliche Wohl wird natürlich auch gesorgt. Rein zufällig wurden wir hier zu Zaungästen der Eröffnungsveranstaltung der vierten Studenten-Weltmeisterschaft im Power-Lifting mit dem Einmarsch der 26 teilnehmenden Nationen und einem Kulturprogramm mit landestypischen Tänzen.


Der Embach ist der längste Fluss Estlands. Unterhalb des Rathausplatzes wird er von der Bogenbrücke (Kaarsild) überspannt. Die Fußgängerbrücke wurde 1959 eingeweiht und verbindet die Altstadt Tartus mit dem Stadtteil Ülejöe. Sie steht auf den Fundamenten der im 2. Weltkrieg zerstörten historischen Steinbrücke (Kivisild, Abb. rechts), die 1784 zu Ehren Katharina der Großen errichtet wurde. Unter den zahlreichen Studenten Tartus gilt es als Mutprobe nachts über den Bogen der Brücke zu klettern.

  • Die Bogenbrücke auf einer sowjetischen Ganzsachenkarte von 1980
  • Rückseite der Ganzsachenkarte von 1980

Tartu ist nicht nur Hanse- sondern auch Universitätsstadt. Fast ein Fünftel aller Einwohner sind Studenten. Die meisten davon studieren an der Universität Tartu, die 1632 von König Gustav II. Adolf von Schweden als Academia Gustaviana gegründet wurde und eine der ältesten und angesehensten Universitäten in Nordeuropa ist.


Estnischer FDC von 2002 - 370 Jahre Universität und 200 Jahre Universitätsbibliothek - im Zusammendruck links das Hauptgebäude und rechts die moderne Bibliothek; im Zudruck die Gründungsurkunde von 1632; im Stempel der Gründungsvater König Gustav der II. Adolf

Bis 1893 war sie eine deutschsprachige Hochschule, an der vorwiegend die deutschbaltischen, russlanddeutschen und estnischen Eliten ausgebildet wurden. Das durch seine klassizistische Tempelfront mit Kolossalsäulen beeindruckende Hauptgebäude (Abb. rechts) wurde 1809 nach Entwürfen von Johann Wilhelm Krause fertig gestellt. In dem Gebäude ist u.a. das Kunstmuseum der Universität untergebracht.


Sowjetischer FDC von 1982 anlässlich 350 Jahre Universität Tartu, gelaufen als Einschreibbrief

Krause schuf auch die Pläne für den Ausbau von Teilen der Ruine der Domkirche zur Universitätsbibliothek (heute ist hier das Geschichts-museum der Universität beheimatet) und die historische Sternwarte (Abb. rechts) am Fuße des Dombergs.

Foto von der Ruine der Domkirche; in dem Gebäudeteil mit den Fenstern befindet sich das Geschichtsmuseum der Universität

Hier wirkte einer der berühmtesten Absolventen der (damals) Kaiserlichen Universität Dorpat, der Astronom und Geodät Friedrich Georg Wilhelm Struve (Abb. rechts). Er begann 1808 sein Studium und beendete es 1813 mit der Promotion. 1820 wurde er Direktor des Observatoriums und beschäftigte sich dort mit der Erforschung von Doppelsternen. Von 1816 bis 1855 wurde unter seiner Leitung ein 2.822 km langer Meridianbogen vermessen. Als eines der bedeutendsten Werke der Landvermessung und ein frühes Beispiel für internationale Zusammenarbeit wurde der Struve-Bogen 2005 in das Weltkulturerbe der UNESCO aufgenommen.

  • Tartu_Observatorium_Gzs_Estland_vs
  • Tartu_Observatorium_Gzs_Estland_rs

Zeitgleich mit Struve studierte Karl Ernst von Baer an der Universität von Dorpat Medizin. Heute zählt er zu den bedeutendsten Naturwissenschaftlern des 19. Jahrhunderts und wird oft auch als „Alexander von Humboldt des Nordens“ bezeichnet. Nach dem Doktorat in Wien setzte er sein Studium in Würzburg und Berlin fort. 1816 bekam er eine Stelle an der Universität in Königsberg. Dort begann er seine Forschungen zur Embryologie und entdeckte 1827 die menschliche Eizelle. Er war (u.a.) Mitglied der Leopoldina, der Bayrischen Akademie der Wissenschaften und der American Academy of Arts and Sience. Sein Denkmal befindet sich im Park am Domberg (Abb. rechts).


Estnische Ganzsachenkarte zum 225. Geburtstag von Karl Ernst von Baer; Stempel mit Abb. Eizelle

Neben der in Tartus Stadtzentrum dominierenden klassizistischen Architektur gab es auch mittelalterliche Backsteinbauten wie die imposante Ruine des Doms auf der höchsten Erhebung Tartus zu bestaunen. Die Ende des 15. Jahrhunderts fertig gestellte gotische Kathedrale wurde durch Kriege und Brände mehrfach stark beschädigt und aufgegeben. Die Türme an der Westseite hatten ursprünglich eine Höhe von 66 Meter.


Foto von der Westseite der Ruine der Domkirche, an der sich die Türme befanden

Die Johanniskirche, deren älteste Teile aus dem 14. Jahrhundert stammen, wurde während ihrer langen Geschichte ebenfalls mehrmals zerstört. Im  Zweiten Weltkrieg brannte sie aus und war bis 1989 eine Ruine. Der Wiederaufbau wurde zum Großteil durch Spenden finanziert. Wesentliche Mittel kamen dabei von der Partnerstadt Lüneburg und der Nordelbischen Landeskirche. An der Wiedereinweihung, am 29. Juni 2005, nahm neben dem estnisch-lutherischen Erzbischof Andres Pöder und dem estnischen Staatspräsidenten Arnold Rüütel auch der deutsche Bundespräsident Horst Köhler teil. Einzigartig ist die Johanniskirche wegen der vielen Terrakottafiguren im Inneren und an der Fassade, von denen heute noch ca. 1.000  erhalten sind. (Abb. rechts, auf dem Bogenrand das Stadtwappen von Tartu)

Nach so viel „trockener“ Materie brauchte ich erst einmal etwas leichtere Kost. Deshalb entschloss ich mich zu einem kurzen Abstecher zum Öllemuuseum. Nein kein Rechtschreibfehler und auch keine Ölmühle. Ölu ist die estnische Übersetzung für Bier.


Foto vom Schankraum, in dem man das im Eintrittspreis enthaltene "Freibier" genießen konnte

Das Biermuseum befindet sich auf dem Gelände der Brauerei A. le Coq, die 1807 von einer preußischen Hugenottenfamilie gegründet wurde und anfangs Weinhandel betrieb. 1820 zog die Firma nach London um und belieferte bald den russischen Markt mit Bier. Zur Verkürzung der Lieferwege und zur Vermeidung der hohen Zölle versuchte man in Russland eine bereits bestehende Brauerei zu übernehmen. Die Wahl fiel auf die 1826 vom jungen Braumeister Justus Reinhold Schramm gegründete Brauerei in Dorpat. A. le Coq verlegte daraufhin 1912 seinen Sitz ins damalige Russland. Das Museum ist sehr modern gestaltet. Nach einigen Informationen zu den Zutaten für die Bierherstellung und einem Modell des gesamten Brauprozesses, wird dem Besucher sehr anschaulich und teils interaktiv die geschichtliche Entwicklung des Bierbrauens von den alten Ägyptern bis zur Gegenwart gezeigt. Durch mehrere Räume mit alten Brauereimaschinen gelangt man in das historische Malzsilo in dem die Geschichte der Brauerei A. Le Coq dargestellt wird. Am Ende des Rundgangs befindet sich eine gemütlicher Schankraum, in der man sich aus den zahlreichen Produkten der Brauerei ein Gratisgetränk auswählen konnte. Als ich dann im Museumsshop auch noch ein paar personalisierte „Biermarken“ der estnischen Post entdeckte, hatte sich der kleine Abstecher mehr als gelohnt.


portogerechte Mehrfachfrankatur mit den personalisierten Briefmarken der Brauerei A. Le Coq

Wir trafen uns dann wieder in einem nahe gelegenen Biergarten "ULA" um die Verkostung der Produkte der zuvor besuchten Brauerei fortzusetzen. Leider gab es in diesem netten Biergarten nichts zu essen, so dass uns der Hunger drei Straßen weiter in den Püssirohukelder führte. Klingt zwar etwas anrüchig – ist es aber nicht. Das Restaurant befindet sich in dem 1778 fertig gestellten ehemaligen Schießpulverkeller der Stadt Tartu und hat es mit einer Gewölbehöhe von 36 ft (ca. 11 Meter) sogar ins Guinness-Buch der Rekorde als „höchster Pub der Welt“ geschafft. Für mich schloss sich ein Kreis, denn dieser Keller war von 1867 bis 1896 an Justus Reinhold Schramm vermietet, der dort sein Bier lagerte.
Wir waren aber nicht die einzigen Philatelisten an diesem sehenswerten Ort, denn gerade als wir mit unserem roten Männerbier (1 Liter und steht genauso in der englischsprachigen Speisekarte) anstoßen wollten, liefen der deutsche Kommissar für die Mare Balticum (Frank Blechschmidt) und das deutsche Jurymitglied (Dr. Wolfgang Leupold) an unserem Tisch vorbei. Alle staunten nicht schlecht darüber, sich an diesem Ort zufällig zu treffen…

Nachdem wir von Tartu schon eine Menge gesehen hatten, wollten wir am nächsten Tag noch etwas das Umland erkunden. Als Ziel hatten wir schon lange vorher den Peipussee gewählt. Nicht um dem Feind ins Auge zu schauen (denn mitten durch den See führt die estnisch-russische Grenze), sondern den Schauplatz zu besuchen, der uns schon in frühen Kindertagen mit der „Schlacht auf dem Eise des Peipussee“ begegnet war. Die netten Damen in der Touristeninformation hatten uns die Stadt Kallaste empfohlen, die auch gut mit dem Bus erreichbar war. Mit der Badehose im Gepäck ging es zum Busbahnhof, wo wir – für Estland völlig untypisch – direkt und bar beim Busfahrer 2 € für die fast 50 km lange Strecke bezahlten. Ungewöhnlich war für uns der Umstand, dass der Bus erst losfuhr, nachdem sich alle Fahrgäste angeschnallt hatten! Nach einer Stunde Fahrt über flaches Land und leere Straßen kamen wir in Kallaste an. Im 18. Jahrhundert siedelten sich am Westufer des Sees russische Altgläubige an. Die Altgläubigen lehnten die Reformen der russisch-orthodoxen Kirche von 1652 ab und wurden daraufhin aus der Kirche ausgeschlossen und verfolgt. Unseren Weg zum Strand säumten leider keine Gebäude, die nachweislich den Altgläubigen zuordenbar waren. Wir erreichten nach einem kurzen Spaziergang einen ca. 250 m langen Sandstrand. Eher untypisch für Kallaste, denn vorherrschend ist hier eine Steilküste aus rotem Sandstein. Der Peipussee ist der fünftgrößte See Europas, sehr fischreich und mit 3.555 km² Fläche  mehr als sechsmal so groß wie der Balaton.


Gemeinschaftsausgabe Rußland und Estland mit Fischen aus dem Peipussee (Binnenstint + Zander)

An diesen erinnerte uns der See auch, denn um schwimmen zu können musste man erstmal etliche Meter laufen. Das Wasser war wärmer als gedacht. Das lag zum einen an der maximalen Wassertiefe von nur 14 m und zum anderen an dem anhaltenden hochsommerlichen Wetter.


Foto vom Sandstrand in Kallaste


Zufälligerweise zeigt die diesjährige Ausgabe der Serie Leuchttürme Estlands, den Leuchtturm von Rannapungerja am Peipussee, ca. 40 km oberhalb von Kallaste

Am Strand gab es keinerlei Infrastruktur und es wurde vorwiegend russisch gesprochen. Auf dem Rückweg zum Bus fanden wir eine nette kleine Fischräucherei wo wir einen kalten Borschtsch und einen frisch geräucherten Fisch (Abb. rechts) verzehrten.

Der Freitag stand bei uns natürlich ganz im Zeichen der Mare Balticum 2024. Kurz vor der Eröffnung erreichten wir das imposante Gebäude des Estnischen Nationalmuseums (Eesti Rahva Muuseum – ERM) in dem die Ausstellung stattfand. Nach Entwürfen des Pariser Architekturbüros DGT Dorell Ghotmeh Tane / Architects entstand von 2009 bis 2016 auf dem Gelände eines ehemaligen Flugplatzes der Sowjetarmee für strategische Bomber ein Neubau für das zuvor an verschiedenen Stellen in der Innenstadt Tartus beheimatete Estnische Nationalmuseum.


Estnische Ganzsachenkarte zur Briefmarkenausstellung "Estonia 2017" mit dem Eingang zum ERM


Foto des mehr als 350 Meter langen Gebäudes

Überraschend war die hohe Anzahl der Besucher bei der Eröffnungsveranstaltung. Die Mare Balticum 2024 war als Multinationale Ausstellung konzipiert und offizieller Teil des Programms der Europäischen Kulturhauptstadt. 11 Länder wurden durch einen Kommissar vertreten und auch die Jury war international besetzt. Im Wettbewerb präsentierten sich in mehr als 550 Rahmen 153 Exponate (inklusive Literaturklasse) von Ausstellern aus 15 Ländern. Deutschland war im Wettbewerb mit 28 Exponaten vertreten, unter denen erfreulicherweise 8 Jugendexponate waren.


Foto vom Ausstellungssaal (das Ausstellungsgerät mit 16 Blatt/Rahmen kam aus Schweden)

Die Ausstellung war an allen Tagen gut besucht. Das lag sicher auch daran, dass sich etliche Besucher die Ausstellung anschauten, die nie zuvor Gäste einer Briefmarkenausstellung waren. Denn der Weg in die eigentlichen Sammlungen des Nationalmuseums führte durch den Raum mit den Rahmen der Briefmarkenausstellung. Wer eine Pause von der Exponatbesichtigung brauchte, der fand ein Plätzchen bei einem der zahlreichen Händler, die mit einem guten Angebot vertreten waren.


v.l.n.r. - Händlerstände / Stand der estnischen Post / Blick in die Ausstellung
(Da die Fotos am Samstag erst kurz vor der Schließung der Ausstellung aufgenommen wurden, sind darauf nur wenige Besucher zu sehen! )

Neben der estnischen Post hatten auch die Postverwaltungen von Lettland und Litauen (allerdings mit einem relativ kleinen Angebot) einen Stand auf der Ausstellung. Das Porto von 2,60 € für eine Postsendung von Estland nach Deutschland lud aber nicht unbedingt zum Briefeschreiben ein. Trotzdem hatten wir am Abend gut zu tun, um ein paar schöne Frankaturen für die eigene Sammlung und einen philatelistischen Gruß an Freunde vorzubereiten. Am nächsten Morgen ging es wieder auf die Ausstellung. Wir wollten uns ja noch einige Exponate anschauen und bei den Händlern gab es auch noch die eine oder andere Kiste zu „durchwühlen“. Und wir mussten ja auch noch unsere „Machen“ bei der Post abgeben (die inzwischen auch zum größten Teil unbeschädigt und sauber gestempelt angekommen sind).


portogerechte Mehrfachfrankatur mit der Leuchtturmausgabe von 2018 - Aufgegeben in der Ausstellung mit der Bitte um Abschlag eines (dort nicht vorrätigen) Tagesstempels. Auffällig ist, dass der Name Tartu nicht im Stempel auftaucht. Die Hauptpost (eher ein Postshop) befindet sich im Untergeschoss des Einkaufszentrums "Kvartali Keskus", wo noch am Samstag sauber gestempelt wurde.

Da wir es auch am Samstag nicht schafften alles „abzuarbeiten“, beschlossen wir am Sonntag nochmals zur Ausstellung zu fahren. Außerdem wollten wir ja auch noch erfahren, welche Bewertungen von der Jury vergeben wurden. Kurz nach Mittag schlossen dann die ersten Händler ihre Stände und auch die ersten Exponate wurden abgebaut. Zeit, um auf Wiedersehen zu sagen. Unser Besuch auf der Ausstellung hat sich absolut gelohnt. Einziger Wermutstropfen war die schlechte Bewertung für die Jugendexponate, deren niedrige Punktzahlen ich in keiner Weise nachvollziehen konnte!

Mit unserem 5-Tage-Busticket fuhren wir anschließend vom Nationalmuseum quer durch die Stadt bis zur Endhaltestelle der Linie 25 am Bahnhof, der 1876 eröffnet wurde. In den letzten Jahren wurde er umfassend saniert und ist mit seiner Holzfassade zu einem echten Schmuckstück geworden. Man sollte auch einen Blick in die Innenräume werfen, in denen man sich wohlfühlt, wenn man auf den nächsten Zug warten muss.


Foto vom Empfangsgebäude des Bahnhofs in Tartu

Besonders sehenswert waren auch die sehr vielgestaltigen Jugendstil-Bauten Tartus, wie etwa das schmucke „Kleine Haus“ des Theaters „Vanemuine“, das ursprünglich als Deutsches Theater im Jahre 1918 eröffnet wurde.


Estnischer FDC zum 125-jährigen Bestehen des Theaters "Vanemuine"

Steinerner Jugendstil begegnet einem auch in Form hervorragend renovierter Villen der etwa 1890 bis 1910 errichteten (und zum Teil bis heute als solche genutzten) Burschenschaftshäuser. Beispielhaft hier eine Maximumkarte des Hauses der ersten rein estnischen Burschenschaft (Abb. unten), entworfen von einem estnischen Architekten unter besonderer Nutzung landestypischer Stilelemente.


Entlang der Kastani-Straße ließen wir uns von mehrgeschossigem Jugendstil in typisch russischer Holzbauweise verzaubern. Besonders eindrucksvoll hierbei die an Baba Jaga bzw. russische Märchen erinnernden geschnitzten Verzierungen der Fenster und Fassaden. Die neugierigen Fremden wurden von dem freundlichen Besitzer dieses Hauses sogleich zur Besichtigung der Erdgeschoss-Baustelle und des Treppenturmes seines in Renovierung befind-lichen Holzhauses eingeladen. Es muss eine äußerst anspruchsvolle Aufgabe sein, so ein altes Holzhaus auf die heutigen Wohnbedürfnisse anzupassen. Am Ende der Straße befindet sich das Neobaltia-Haus, das heute als Deutsches Kulturinstitut genutzt wird.

  • Holzhaus_1
  • Holzhaus_2
  • Holzhaus_3
  • Holzhaus_4

Nach dem Abendessen fuhren wir in unsere  Unterkunft, die sich gegenüber der 1884 geweihten neugotischen Peterskirche befand (Abb. rechts). Am nächsten Morgen traten wir unsere Heimreise an. Damit endete ein sehr schöner und erlebnisreicher Ausflug ins Baltikum. Auch wenn Tartu im nächsten Jahr nicht mehr Kultur-hauptstadt Europas ist - ein Besuch in dieser lebendigen und dabei keineswegs hektischen Stadt mit ihrer frisch restaurierten abwechslungsreichen Architektur, dem umfangreichen kulturellen Angebot, der Vielzahl an gemütlichen Cafés und Kneipen und der schönen Natur im Umland - ist absolut empfehlenswert.


Estnische Ganzsache mit dem Emajögi (Embach) und der Bogenbrücke

Quellen: www.wikipedia, MICHEL Katalog; Fotos: Heiko Weber, Thomas Wünsche