Ältester Briefmarkensammlerverein Deutschlands


Hindenburgfrankaturen Teil 9

Beleg als Zeitdokument

Belege sind wunderbare "Zeitmaschinen", wenn man ihnen die Aufmerksamkeit schenkt und gewillt ist, sich näher mit ihnen und eben ihrer Zeit zu befassen. Wer die bisherigen Folgen gelesen hat, dem ist nicht entgangen, wie faszinierend der Autor es empfindet, Inhalte von Maschinenwerbestempel-Slogans einzuordnen, prominenten Absendern oder auch dem Wechsel des Stils der Anschreiben nachzuspüren und dies historisch zu hinterfragen. Deshalb soll hier auch gleich damit begonnen werden; fangen wir mit einer Firmendrucksache zu 3 Pf ab "Markneukirchen" 9.4.38 an (Abb. 1).



Abbildung 1

Der schöne Werbestempel mit dem Schriftzug "Musikinstrumentenstadt" weist auf die lange Tradition des Musikinstrumentenbaus im Vogtland hin, ebenso wie der linke Zudruck der Firma Alban O. Schmidt, wobei die Saiten tierischen Ursprungs offenbar auch zum Bespannen von Tennisschlägern verwandt wurden. Das Logo zeigt drei stehende, vielleicht einen Ringelrein tanzende Bären, wozu auch der Schriftzug im linken Band "Tanzbären" passt. Markneukirchen war bis 1990 auch ein sehr bedeutender Standort der Spielautomatenherstellung, wobei es um Spieluhren, also Musikautomaten geht. Wenn wir uns nun der Rückseite der Karte zuwenden, die nach neunzig Jahren leicht verblichen ist, so lesen wir in hektografierter Schrift

"Von der Reichszeugmeisterei München bin ich zur Belieferung der Hitler-Jugend etc. =Organisationen ... zugelassen. Vor dieser Zulassung schon habe ich zahlreiche Verbindungen mit diesen Organisationen unterhalten zur vollen Zufriedenheit der Empfänger … Heil Hitler!" Und damit offenbart die kleine Drucksache uns auch, wie eine Diktatur funktioniert: Man passt sich an, man fügt sich ein, man dient sich an, einfach, um sein Geschäft zu machen, ein Geschäft, das ausweislich der Karte schon seit 1892 existiert.  Der Autor will das nicht verurteilen, aber es macht ihn schon etwas betroffen, wenn man den Ausgang der Geschichte kennt.



Abbildung 2

Anfangs musste das Naziregime noch um die Zustimmung der Bevölkerung buhlen, so mit dem Einsatz im MWSt ab Jena am 25.3.36 "Deine Stimme dem Führer!" (Abb. 2).



Abbildung 3

Fordernder war dann schon der 1938 beigesetzte Propagandastempel "Am 10. April ein freudiges Ja aus Millionen Herzen" (Abb. 3) zur einzigen "Wahl" eines Reichstags nach 1933. Nach der Wiederangliederung des Saarlands im Januar 1935, die auf Belegen oft mit der  schwarz-weiss-roten Vignette "Deutsch ist die Saar. Wir wollen heim zum Reich." gefeiert wird  (Abb. 4), war 1938 der Anschluss des Sudetenlandes und Österreichs ein weiterer Erfolg Nazideutschlands.



Abbildung 4


Dadurch wurde die Zustimmung der Bevölkerung zum Regime schon zu einer sehr vollkommenen, auch wenn das Ergebnis von 99% Ja-Stimmen zur Wahl des Reichstags 1938 manipuliert war. Man merkt das schon am veränderten Duktus der Slogans. Die Zustimmung zum Kurs des Regimes wird nun schon als selbstverständlich dargestellt, ein "Nein" scheint keine Möglichkeit zu sein. 1937 warben Maschinen- und Dauerwerbestempel für die Ausstellung "Gebt mir 4 Jahre Zeit" (Abb. 5). Dieser Ausspruch Hitlers, fortgesetzt "und Ihr werdet Deutschland nicht wiedererkennen", sollte hohe Erwartungen wecken, die mit hohen Zumutungen wie niedrigen Löhnen, die Zurückdrängung der Frauen aus dem Erwerbsbereich, Einführung des Reichsarbeitsdienstes, Gleichschaltung der Vereine etc. verknüpft waren. Aber die Deutschen, gebeutelt durch die Erfahrung der Massenarbeitslosigkeit zu Beginn der 30er Jahre, nahmen das überwiegend positiv auf.

Den 1936 einsetzenden Vierjahresplan (Abb. 6) sah man dann in der Bevölkerung auch als planvolle Fortsetzung eines gelungenen Aufschwungs, da man die geheime Denkschrift Hitlers zum Vierjahresplan nicht kannte. Ausgangspunkt der Überlegungen Hitlers war die Annahme, dass die Sowjetunion einen Angriffskrieg plane; wie kam man nur darauf? Im Sowjetreich herrschten Hungersnöte und Stalin ließ in der sogenannten Großen Säuberung 1936-39 nicht nur den Großteil seines Offizierskorps liquidieren, jeden Tag eintausend Menschen (!), von Angriffsvorbereitungen keine Spur. Am 31.8.1939 stürmte dann ein Sonderkommando der SS, verkleidet als polnische Patrioten, den deutschen Radiosender in Gleiwitz, um zu verkünden "Der Sender befindet sich in polnischer Hand. Hoch lebe Polen!" Der von Heydrich kommandierte Einsatz lieferte den Vorwand für den Krieg, der der II. Weltkrieg werden sollte.

Das Codewort für den Kommandoeinsatz war "Tannenberg"; der mythische Name der Schlacht von 1410, die vom Deutschen Ritterorden gegen ein verbündetes Heer polnischer und litauischer Ritter verloren wurde. Generalfeldmarschall Hindenburg, der 1914 die in Ostpreußen eindringende russische Armee vernichtend schlug, wählte deshalb wiederum die Ortsbezeichnung "Tannenberg" für seine gewonnene Schlacht und gegen seinen ausdrücklichen Willen wurde er in einem Nationaldenkmal beigesetzt, in "Tannenberg" eben (Abb. 7). 1945 wurde es gesprengt, weil man es nicht der vorrückenden Roten Armee überlassen wollte ... Dreimal Tannenberg, kein guter Name für deutscher Geschichte.

Bis man das 1945 realisierte, gibt es philatelistisch viel zu dokumentieren mit Belegen mit dem Porträt des am 2.8.1934 verstorbenen Reichspräsidenten. So z.B. durch Retoursendungen, ja, wen überrascht das, siehe Folge 7. Der Brief ab "Augsburg" vom 10.5.1940 ins holländische "Enschede" verblüfft zunächst mit einem Porto von 29 Pf, das nicht erklärt werden kann (Abb. 8).



Abbildung 8

Interessant ist hier mehr die handschriftliche Bleistiftnotiz oberhalb der Anschrift, wohl "Aufgrund ... des Einmarsch in Holland … von der Post wieder zurückgegeben!" sowie der unten stehende Stempel "Postverkehr mit Holland eingestellt", wobei nach "mit" Pünktchen stehen und das betreffende Land handschriftlich eingetragen wurde. Ein interessanter Aspekt, wie Stempel im Zuge der deutschen Angriffskriege variabel vorbereitet wurden. Schon deshalb ist dieser Beleg ein  besonderes Zeitdokument. Am 10. Mai 1940 begann der Überfall auf die Beneluxländer, der sogenannte Fall "Gelb", der nur der Vorbereitung de Angriffs auf Frankreich diente.



Abbildung 9

Während diese militärischen Operationen  für Deutschland überaus erfolgreich verliefen, zeigt der kommende Beleg ab "Hamburg" 9.12.1941 nach Michigan/USA (Abb. 9) für 65 Pf für den Auslands-Luftpostbrief (25 Pf plus 40 Pf Luftpost) eine für den Kriegsverlauf bedeutsame Zäsur: Den Kriegseintritt der USA aufgrund der deutschen Kriegserklärung vom 11.12.1941. Der Brief durchlief noch die Zensur, siehe den runden Zensurstempel "Ab", um dann zweifach mit dem zweizeiligem Stempel "retour/Postverkehr eingestellt"  versehen und wieder zurückgesandt zu werden. Am militärisch-wirtschaftlichen Potential der USA wird Nazideutschland ebenso grundlegend scheitern, wie am grenzenlosen Verteidigungswillen der Roten Armee an der Wolga. Solche Belege wie die beiden vorstehenden sind begehrt und erzielen regelmäßig doch nennenswerte Preise. Nicht so der nachfolgende und letzte Beleg unserer heutigen Zeitreise. Es ist wieder eine eigentlich banale Drucksache, abgestempelt mit einem heute wenig beliebten Werbestempel, hier "Weiler im Allgäu" 19.3.1942 (Abb. 10).



Abbildung 10

Den Autor zog sie in ihrem Bann, als einzigen Bieter auf einer bekannten Internetplattform. Ihn interessierte die Verwendungsform, der Anlass der Drucksache, der sorgfältig auf dem Umschlag vermerkt ist "Vermählungs-Anzeige … Kriegsgetraut, Dienstag den 17.März 1942."  Dies ist eingefügt über die schon vorhandene Anschrift, um den feierlichen Inhalt des Briefs zu betonen, der Umschlag ist aus teurem Büttenpapier. Unweigerlich drängt sich die Frage auf, ob sich das Paar wohl wiedergesehen hat? Oder ob der Bräutigam zu den 5,5 Millionen toten deutschen Soldaten des Weltkriegs zählt? Die Frage bleibt offen. Aber offenbar hat es einen doch hohen Preis, sich einfach anzupassen, zu funktionieren, um seinen Geschäften nachzugehen (siehe Beleg Abb. 1).

Die nächste Folge widmet sich der Frage, ob und wie man die vorstehend beschriebene und allseits bekannte historischen Entwicklung der Person Hindenburg anlasten kann.

Dr. Axel Eska

IPV 1877 Dresden e.V.

Verwendete Quellen : www.wikipedia