Hindenburgfrankaturen Teil 8
Besondere Absender / Empfänger
Die heutige Folge widmet sich einem lange Zeit wenig beachteten Aspekt beim Sammeln von Belegen: Dem Blick auf den Absender oder den Empfänger. Dieses Gebiet ist heute nahezu ein Modethema und kann mittels jedermann zur Verfügung stehenden Quellen wie www.wikipedia.de leicht und schnell in die Tiefe verfolgt werden. Das Internet macht es sogar möglich, Anschriften und Örtlichkeiten mittels Satelittenaufnahmen zu erkunden, wenn man das möchte. Eingangs wird ein Beleg mit dem Werbestempel "Ingenieurstadt Hildburghausen" aus 1936 an die "Opiumstelle im Reichsgesundheitsamt Berlin" gezeigt (Abbildung 1).
Abbildung 1
Der Beleg ist mit 22 Pf aufgrund des Luftpostzuschlags von 10 Pf korrekt frankiert. weiter sind 8 Pf als Standardporto für einen Ortsbrief, zumal ab "Berlin", alles andere als eine Seltenheit (Abbildung 3). Doch der Absender, die Botschaft der Vereinigten Staaten von Amerika, die seit 2008 am Pariser Platz 2 direkt am Brandenburger Tor residiert, ist doch schon ein Hingucker, wenn auch vom Maschinenstempel überdeckt.
Die Geschichte der Botschaft der USA in Berlin, nachzulesen bei www.wikipedia, ist durchaus ein Krimi; erst 1939 wurde das sog. Blücher-Palais bezogen, zuvor liess man sich aus amerikanischer Sicht sehr viel Zeit, genauso wie nach der Wende; zwischen Spatenstich 1996 und Eröffnung 2008 lagen zwölf Jahre. 2014 kam heraus, dass man von dort das Telefon der Bundeskanzlerin abhörte. Nun ja, von Freundschaft zur "Schutzmacht" redet heute niemand mehr. Auf unserem Beleg ist die Bellevuestr. 8 als Botschaftsadresse eingedruckt, was wohl nur unwesentlich vom Pariser Platz entfernt liegt und vielleicht ein Nebengebäude des Anfang der 30er Jahre zunächst abgebrannten Blücher-Palais war.
Abbildung 4 - Vorderseite
Abbildung 4 - Rückseite
Solche Belege gibt es heute nicht mehr und jeder kennt wohl aus eigener Erfahrung, dass Smartphones Verabredungen nicht unbedingt leichter und zuverlässiger gemacht haben. Die folgende Paketkarte mit einer MeF der 25 Pf gefällt hier wegen dem besonderen Paketaufkleber "Hamburg 14 (Freihafen)(Verzollt)" und dem der Anschrift des Zollamts "Auf dem Sande" im Dienstsiegel. (Abbildung 5). Der Freihafen genoss Zollfreiheit und ist postalisch sehr interessant; man verfügte auch über eigene R-Zettel.
Abbildung 5
Abbildung 6 - Vorderseite
Doch der Brief datiert aus 1935 und dokumentiert damit deutlich die enorme gesellschaftliche Bruchstelle, die durch den Untergang des Kaiserreichs 1918 entstanden ist und fast zwanzig Jahre später noch besteht. Die Weimarer Republik war in den Köpfen oder besser Herzen nicht angekommen. Viele blickten zurück wie die Verfasserin des vorstehenden Briefs oder aus ihrer Sicht radikal nach vorn: Sowjetrepublik aus Sicht der KPD oder ein nationalsozilaistisches Deutschland ohne "Die zwanzig Parteien im Reichstag."
Ausser "Berlin" trägt der Brief keine Anschrift, was bei der Zustellung nur zu leichten Schwierigkeiten führte. Abgeschlagen ist rückseitig erst "Berlin W 9, 13.5.37 10", um dann rasch in "Berlin W 8" anzulangen und zwar 11.00 Uhr. "W 8" ist mit einem Kürzel des Briefzustellers vorderseitig vermerkt. Da der Brief die Sonderleistung Rückschein aufwies (Rückseitig ist ein Rand leicht aufgerissen, wo wohl der Rückschein klebte) haben wir hier gleich noch eine Portobesonderheit einer zweiten Zusatzleistung, die das Gesamtporto von 84 Pf ausmacht: 30 Pf Einschreiben + 30 Pf Rückschein und 24 Pf der doppelgewichtige Brief. Es ist der einzige Beleg aus meiner Sammlung, der die Sonderleistung Rückschein nachweist. Besonders macht ihn hier der Empfänger und es fragt sich, wie dieser Beleg die Feuerstürme der Zeit überhaupt überstanden und in Sammlerhand gelangt ist. Die Zusatzleistung Rückschein hat das wohl entscheidend begünstigt. Der Autor fand den Einschreibebrief unspektakulär in einem Belegeposten. Bemerkenswert ist der Kontrast zu dem vorher vorgestellten Prinzessinen-Brief durch die radikal andere Form: Statt Schörkelschrift und Hoheit nun Schreibmaschine und "Pg." dem Namen vorangesetzt. Dieses Kürzel steht für Parteigenosse und offenbart doch ein ganz anderes Hierarchieverständnis als der vorhergehende Brief. Faktisch war es wiederum ganz anders, denn Hitler war alles andere als ein Genosse, ein Gleicher unter Gleichen, aber das ist ein anderes Thema. Der radikale Wechsel der Anredeform ist jedenfalls ein eindrückliches Zeugnis der Zeitenwende, die 1933 anbrach und tatsächlich eine egalitäre Gesellschaft schuf und zwar die der in der Trümerwüste ums nackte Überleben kämpfenden Frauen, Flüchtlinge und Vertriebenen.
Abbildung 8