Ältester Briefmarkensammlerverein Deutschlands


Hindenburgfrankaturen Teil 8

Besondere Absender / Empfänger

Die heutige Folge widmet sich einem lange Zeit wenig beachteten Aspekt beim Sammeln von Belegen: Dem Blick auf den Absender oder den Empfänger. Dieses Gebiet ist heute nahezu ein Modethema und kann mittels jedermann zur Verfügung stehenden Quellen wie www.wikipedia.de leicht und schnell in die Tiefe verfolgt werden. Das Internet macht es sogar möglich, Anschriften und Örtlichkeiten mittels Satelittenaufnahmen zu erkunden, wenn man das möchte. Eingangs wird ein Beleg mit dem Werbestempel "Ingenieurstadt Hildburghausen" aus 1936 an die "Opiumstelle im Reichsgesundheitsamt Berlin" gezeigt (Abbildung 1). 


 

Abbildung 1

Der Beleg überrascht nicht nur wegen seiner schönen Optik, sondern aufgrund seines ungewöhnlichen Empfängers. Die wenigsten von uns hätten die Existenz einer solchen zentralen Verwaltungsstelle im Deutschen Reich für eine Droge vermutet. Übrigens gibt es heute noch das Bundesopiumamt mit ca. 50 Beschäftigten, die für die Überwachung des Handels mit Betäubungsmitteln und für Betäubungsmittelrezepte zuständig sind. Einen aktuellen Bezug vermag der phantasiebegabte Sammler auch herzustellen: Im Dezember 2020 war das beschauliche Hildburghausen, das immerhin über ein Auktionshaus für Philatelie verfügt, ein Hotspot der Corona - Epidemie. Opium hätte dagegen nicht geholfen, seine dosierte Einnahme hätte einen aber auf andere Gedanken gebracht, wenn man nicht gerade Philatelist ist und sich entsprechend anders ablenken kann. Dementsprechend weiter zum nächsten Beleg aus 1935, der aufgrund seines eingedruckten Dienstsiegels "Landesarbeitsamt Ostpreußen Königsberg" als Absenderangabe und der gestempelten Anschrift "Herrn Präsidenten der Reichsanstalt etc." (Abbildung 2) doch sehr eindrücklich und schon deshalb aus Sicht des Autors sammelwürdig ist.

 

Abbildung 2

Der Beleg ist mit 22 Pf aufgrund des Luftpostzuschlags von 10 Pf korrekt frankiert. weiter sind 8 Pf als Standardporto für einen Ortsbrief, zumal ab "Berlin", alles andere als eine Seltenheit (Abbildung 3). Doch der Absender, die Botschaft der Vereinigten Staaten von Amerika, die seit 2008 am Pariser Platz 2 direkt am Brandenburger Tor residiert, ist doch schon ein Hingucker, wenn auch vom Maschinenstempel überdeckt.


 

Abbildung 3


Die Geschichte der Botschaft der USA in Berlin, nachzulesen bei www.wikipedia, ist durchaus ein Krimi; erst 1939 wurde das sog. Blücher-Palais bezogen, zuvor liess man sich aus amerikanischer Sicht sehr viel Zeit, genauso wie nach der Wende; zwischen Spatenstich 1996 und Eröffnung 2008 lagen zwölf Jahre. 2014 kam heraus, dass man von dort das Telefon der Bundeskanzlerin abhörte. Nun ja, von Freundschaft zur "Schutzmacht" redet heute niemand mehr. Auf unserem Beleg ist die Bellevuestr. 8 als Botschaftsadresse eingedruckt, was wohl nur unwesentlich vom Pariser Platz entfernt liegt und vielleicht ein Nebengebäude des Anfang der 30er Jahre zunächst abgebrannten Blücher-Palais war.

 

 

Abbildung 4 - Vorderseite

Aber man muss nicht immer die Geschichte hinter dem Beleg erforschen, um an ihn Freude zu haben. Diese stellt sich schon ein, wenn man die saubere Ortspostkarte zu 5 Pf ab "Berlin Charlottenburg" (Abb. 4) betrachtet: Der Tennis - Club 1899 Blau - Weiß aus dem vornehmen Berlin-Dahlem lädt zu einem Hockeyspiel, rückseitig "Spindlersfeld. Fahrtzeit m.umsteigen 1 Stunde, Absagen bis spätestens Freitag 12 Uhr nur persönlich."


 Abbildung 4 - Rückseite

Solche Belege gibt es heute nicht mehr und jeder kennt wohl aus eigener Erfahrung, dass Smartphones Verabredungen nicht unbedingt leichter und zuverlässiger gemacht haben.  Die folgende Paketkarte mit einer MeF der 25 Pf gefällt hier wegen dem besonderen Paketaufkleber "Hamburg 14 (Freihafen)(Verzollt)" und dem der Anschrift des Zollamts "Auf dem Sande" im Dienstsiegel. (Abbildung 5). Der Freihafen genoss Zollfreiheit und ist postalisch sehr interessant; man verfügte auch über eigene R-Zettel.

 

 

Abbildung 5

Beim Thema besondere Empfänger darf Prominenz nicht fehlen, weshalb hier auch ein Brief ab "Dresden" vom 30.8.1935 an eine "Königliche Hoheit ... Durchlauchtigste Frau Prinzessin" gezeigt wird, die Anrede stammt aus dem erhaltenen Briefinhalt der schliesst mit "Handkuß ... untertänigst ergebene ..."  Dieser Brief (Abbildung 6) überrascht nicht nur mit dem männlichen Titel bei weiblicher Anredeform "Frau Prinzessin Alfons von Bayern" ähnlich der "Frau Oberstleutnant" aus Schwejk-Filmen, sondern durch die beflissene Untertänigkeit, die kombiniert mit der nahezu kalligrafischen Handschrift aus einer deutlich früheren Zeit herzukommen scheint.


 Abbildung 6 - Vorderseite

Doch der Brief datiert aus 1935 und dokumentiert damit deutlich die enorme gesellschaftliche Bruchstelle, die durch den Untergang des Kaiserreichs 1918 entstanden ist und fast zwanzig Jahre später noch besteht. Die Weimarer Republik war in den Köpfen oder besser Herzen nicht angekommen. Viele blickten zurück wie die Verfasserin des vorstehenden Briefs oder aus ihrer Sicht radikal nach vorn: Sowjetrepublik aus Sicht der KPD oder ein nationalsozilaistisches Deutschland ohne "Die zwanzig Parteien im Reichstag."



Abbildung 6 - Briefinhalt

 

Das relaisierte dann Adolf Hitler, an dem der nächste Beleg, ein Einschreibebrief ab "Köln Mühlheim" 12.5.1937 gerichtet ist (Abbildung 7).

 

Abbildung 7

Ausser "Berlin" trägt der Brief keine Anschrift, was bei der Zustellung nur zu leichten Schwierigkeiten führte. Abgeschlagen ist rückseitig erst "Berlin W 9, 13.5.37 10", um dann rasch in "Berlin W 8" anzulangen und zwar 11.00 Uhr. "W 8" ist mit einem Kürzel des Briefzustellers vorderseitig vermerkt. Da der Brief die Sonderleistung Rückschein aufwies (Rückseitig ist ein Rand leicht aufgerissen, wo wohl der Rückschein klebte) haben wir hier gleich noch eine Portobesonderheit einer zweiten Zusatzleistung, die das Gesamtporto von 84 Pf ausmacht: 30 Pf Einschreiben + 30 Pf Rückschein und 24 Pf der doppelgewichtige Brief. Es ist der einzige Beleg aus meiner Sammlung, der die Sonderleistung Rückschein nachweist. Besonders macht ihn hier der Empfänger und es fragt sich, wie dieser Beleg die Feuerstürme der Zeit überhaupt überstanden und in Sammlerhand gelangt ist. Die Zusatzleistung Rückschein hat das wohl entscheidend begünstigt. Der Autor fand den Einschreibebrief unspektakulär in einem Belegeposten. Bemerkenswert ist der Kontrast zu dem vorher vorgestellten Prinzessinen-Brief durch die radikal andere Form: Statt Schörkelschrift und Hoheit nun Schreibmaschine und "Pg." dem Namen vorangesetzt. Dieses Kürzel steht für Parteigenosse und offenbart doch ein ganz anderes Hierarchieverständnis als der vorhergehende Brief. Faktisch war es wiederum ganz anders, denn Hitler war alles andere als ein Genosse, ein Gleicher unter Gleichen, aber das ist ein anderes Thema. Der radikale Wechsel der Anredeform ist jedenfalls ein eindrückliches Zeugnis der Zeitenwende, die 1933 anbrach und tatsächlich eine egalitäre Gesellschaft schuf und zwar die der in der Trümerwüste ums nackte Überleben kämpfenden  Frauen, Flüchtlinge und Vertriebenen.

 

 

Abbildung 8

Zu dieser Betrachtung passt inhaltlich der Einschreib-Doppelbrief 54 Pf ab "Salzburg" 31.5.1940, auch wegen des Absenders, der "Nat.-Soz.Kriegsopferversorgung", mehr noch aber wegen des doch besonderen Empfängers, des Staatspräsidenten des Protektorats Böhmen und Mähren (Abbildung 8). Dieser seltene Beleg war bei www.ebay.de kürzlich für wenige Euros zu ersteigern, da kaum jemand dem Empfänger Beachtung schenkte. Dessen Eingangsstempel in Rot  prangt zentral unter der Vier-Farben-Frankatur mit dem Datum 3.6.1940 auf dem Brief "Kancelar statniho Presidenta", der Kanzlei des Staatspräsidenten Emil Hacha. Dieser 1938 gewählte Staaspräsident unterwarf sich am 15.3.1939 der Androhung militärischer Gewalt wie der Bombardierung Prags, wohl auch weil die Tschechei 1938 erfahren musste, ohne Unterstützung dazustehen. Fast 7,5 Millionen Tschechen wurden damit Bürger 2. Klasse im neuen "Protektorat", in dem der Anteil der Deutschen nur 3,5 % betrug. Hacha selbst überlebte das Kriegsende keine zwei Monate; er starb unter ungeklärten Umständen im berüchtigten Prager Pankrac-Gefängnis, in dem die Gestapo 1942 viele Tschechen auf der Jagd nach Heydrichs Attentätern folterte.

Damit wird deutlich, Prominenz unter Absendern oder Empfängern auf Belegen ist hervorragend geeignet, als Zeitdokument zu dienen, dass eigene Wissen zu erweitern und daran auch Spass zu haben. Dieser Mehrwert, den solche Belege mit sich bringen, wird wohl noch Sammler in ferner Zukunft für diese interessieren, wenn es vielleicht gar nicht mehr um Briefmarken geht. Das Thema "Beleg als Zeitdokument" ist deshalb auch Thema der folgenden Serie.

Dr. Axel Eska, IPV 1877 Dresden e.V.
Verwendete Quellen: www.wikipedia