Ältester Briefmarkensammlerverein Deutschlands


Hindenburgfrankaturen Teil 7

Besondere Postlaufwege (1)

Wenn ein Brief sein Ziel anstandslos erreicht, dann ist das für einen Philatelisten beinahe langweilig, denn da gibt es ja keine Vermerke, Stempel oder sonstige Besonderheiten! Und es kann wirklich spannend werden bei so einer Postbeförderung. Fangen wir mit Belegen an, die unzureichend frankiert waren und damit unweigerlich den aufmerksamen Postbeamten auffielen und deshalb ein Nachporto beim Empfänger einforderten. Da kannte man auch bei kleinen Beträgen kein Pardon: Statt 16 Pf für den doppelgewichtigen Ortsbrief verklebte der Absender 1934 drei Fünfpfennig-Medaillonmarken (Abb. 1). Zart wurde der rote Nachgebühr-Stempel abgeschlagen, unübersehbar in Blaustift die "2" für den Nachbetrag (Anderthalbfach aufgerundet). Da half dem Absender auch die 1 Pf-Werbevignette des "Winterhilfswerk des deutschen Volkes" als Verschlussmarke nicht.


Abbildung 1

Ein großes Fragezeichen hinterlässt zunächst das schmale Briefkuvert eines Herrn Max Bergmann aus "Leipzig" an das Leipziger Amtsgericht vom Februar 1934 (Abb. 2.1).



Abbildung 2.1

Es ist als Ortsbrief korrekt mit acht Pfennig frankiert um doch mit vier Nachgebühr-stempeln und mit einem Blaustiftvermerk "12" verziert zu werden. Rückseitig (Abb. 2.2) trägt der Umschlag den schönen Stempel "Um nachträgliche Einziehung des Portos vom Absender wird ersucht - handschriftlich 12 - Pf aus der Reichskasse erstattet erhalten, Leipzig den 3. März 1934 Amtsgerichtskasse 1", handschriftlich - Unterschrift- und Dienststempel. Wieso sollte denn Herr Bergmann 12 Pf für den Fernbrief statt 8 Pf Ortsporto zahlen? Es bleibt nur die schon zuvor angewandte Erklärung, dass das leichte Kuvert doch schwereren Inhalt über 20 Gramm barg, womit das korrekte Ortsporto 16 Pf dafür betrug. Mithin fehlten 8 Pfennig und da das Nachporto auf den anderthalbfachen Betrag auszuwerfen war, landen wir bei 12 Pf Nachporto, genau der Höhe eines Portos für einen Fernbrief. Eine solche Komplikation hat in Anbetracht des leichten Kuverts wohl weder damals Herr Bergmann noch heute der Autor vermutet.



Abbildung 2.2

Ein Hingucker, wenn auch nicht selten, sind auch Zensurvermerke mit Verschlussstreifen und dem Stempel "Oberkommando der Wehrmacht." Oft sind dabei noch kleine Ziffernstempel als Kennung für den jeweiligen Zensor abgeschlagen. Seltener ist Diplomatenpost, die per se nicht der Zensur unterfiel. Optisch präsent sind Retour-Belege, also solche, die nicht dem Empfänger zugestellt werden konnten und zurückgesandt wurden. Vorgestellt wird hier der Brief eines Pfarrers aus dem sächsischen "Crimmitschau" vom 5.12.1939 nach "Kolomea" (Abb. 3).



Abbildung 3

Dieser Ort ist wohl nur Österreich-Klassik-Sammlern geläufig, denn er liegt im früheren Galizien. Dem Autor ist erst bei der Auswahl des Belegs für diese Artikelserie ein zusätzliches i-Tüpfelchen an der schon nicht so häufigen Auslandsdrucksache (Das Kuvert ist unverschlossen) aufgefallen: Die Zufrankatur von zwei Ein-Pfennig-Medaillonmarken geschah offensichtlich später, denn diese tragen den Poststempel 7.12.1939. Es kann nicht anders gewesen sein, dass die schon expedierte Drucksache dem Absender sogleich wieder rücküberstellt wurde mit dem Hinweis, dass drei Pfennig zwar für eine Inlands-, nicht aber für eine Auslandsdrucksache reichen. Das Pfarramt investierte weitere zwei Pfennig, ehe die Sendung am 7.12.1939 wieder auf die Reise ging; welch schöne Komplikation! Rückseitig ist für den 21.12.1939 der sowjetische Ankunftstempel abgeschlagen, in kyrillisch "Moskwa Potschtamt." Nein in Moskau sprach man nicht Sächsisch, aber man übernahm schon früh den deutschen Begriff des Postamts mehr oder minder wörtlich in den eigenen Wortschatz, womit man als Philatelist auch noch etwas über die deutsch-russischen Beziehungen lernt. Die Anschrift der Drucksache ist spartanisch:"Evangelische Gemeinde/Kolomea/früher Galizien."  Man muss schon etwas bei Wikipedia suchen, um die Gegend zu lokalisieren: Im früheren österreichischen Kronland Galizien und dort ca. 200 km südöstlich von Lemberg, heute Ukraine. Schon vor dem ersten Weltkrieg wird die Evangelische Gemeinde dort in der Minderheit gewesen sein, denn dort lebten überwiegend Ruthenen mit orthodoxem Glauben. Für 1939 ist es schwer vorstellbar, dass der Beleg überhaupt Kolomea erreichte; der in Deutsch handschriftlich verfasste Empfänger wird für russische Postler kaum identifizierbar gewesen sein. Aber halt, wieso "Russisch?" Jetzt sollte man gute Geschichtskenntnisse haben bzw. Sowjetunion-Philatelist sein, denn dann fällt einem prompt die Markenausgabe SOWJETUNION Michel 736-740 ein, die progandistisch 1940 die "Wiedereingliederung der Westukraine" vom Vorjahr feiert, anlässlich der Beuteteilung Polens zwischen den beiden Diktaturen Nazideutschland und Sowjetunion. In solch ein brisantes und nicht nur weit entferntes Gebiet war also unser Beleg unterwegs; das weckt abseits jeder Michel-Bewertung schon etwas Begeisterung. Gleichwohl wird er das ehemalige Galizien wohl nicht gesehen haben; rückseitig ist nur der Moskauer Stempel abgeschlagen und keine Notiz o.a. verrät mehr über den Beweggrund, die Drucksache mehrfach handschriftlich und mit Retour/inconnu(Unbekannt)-Stempel zu versehen. Immerhin ist sie von dieser Retounierung auch wieder in Deutschland angelangt, was bei den o.g. Umständen alles andere als selbstverständlich war.



Abbildung 4

Für nur drei Pfennig bekam auch die Chemnitzer Nadelstabfabrik für Ihre Drucksachenpostkarte 1939 (Abb. 4) einiges geboten. Ihre schöne Klappkarte lief am 1. Juni nach (Berlin-)"Charlottenburg", um dort fünf (!) verschiedene Erfolglos/Nicht ermittelt-Stempel einzusammeln, ehe sie zurückging. So hat man jetzt auf einen Beleg diese Stempelart in fünffach wirklich verschiedener Ausführung der damaligen Charlottenburger Postämter dokumentiert. Es ging wohl am 2.6.1939 mit PA 2 los, dann wurden, wie rechtsseitig vermerkt, die weiteren Postämter 1,4,5 und 9 abgearbeitet und abgehakt, letztes am 6.6.1939.



Abbildung 5.1

Ebenso erfolglos verlief die Versendung eines Ortsbriefs zu 8 Pfennig vom Dresdner Nobelstadtteil "Bad Weißer Hirsch" nach "Dresden A 16" auf der anderen Elbseite (Abb. 5). Da der Empfänger verzogen war, so der erste handschriftliche Vermerk oben auf der Rückseite, verlief die Retounierung schwierig, da kein Absender angegeben war.



Abbildung 5.2

So wurde der bemerkenswerte Stempel abgeschlagen "Absender aus Handschrift und auch sonst in Dresden-Bad Weißer Hirsch nicht zu ermitteln." Offensichtlich gab es also Postbedienstete, denen zugetraut wurde, Postkunden an ihrer Handschrift zu erkennen; was waren das noch für Zeiten! Wohl anschließend kam es dann zur Öffnung des Briefs, was der amtliche Verschlussstreifen mit dem Aufdruck "Zur Ermittlung des Absenders amtlich geöffnet durch die Reichspostdirektion Dresden" dokumentiert. Darauf übergehend, quasi zur Beweissicherung, denn immerhin wurde das Postgeheimnis verletzt, ist der Siegelstempel der Postdirektion Dresden schwach abgeschlagen. Daneben zur Belehrung der Postkunden der Hinweisstempel, dass doch der Absender auf der Außenseite der Sendung anzugeben sei.  Vorderseitig ist dann oben in roter Tinte der Absender vermerkt und der einzeilige Stempel "20.1. ZURÜCK." Offensichtlich ergab die Postöffnung die Ermittlung des Absenders. Erfolglos war die Postaufgabe für den damaligen Absender; wir haben heute einen optisch ansprechenden Beleg, der eine Geschichte erzählen kann. Solche Belege waren sicher im hohen Postaufkommen von damals keine Seltenheit, heute sind sie doch eher schwierig zu finden.

Dr. Axel Eska, IPV 1877 Dresden e.V.

Verwendete Quellen : www.wikipedia