2021 - 160 Jahre Dresdner Zoo
Man glaubt es kaum: Der Dresdner Zoo hat schon wieder einen runden Geburtstag, wie nur die Zeit verfliegt! Am 9. Mai 1861 öffnete der Zoo seine Tore.
Bereits 1859 hatte sich ein „Comitee zur Bildung einer Actiengesellschaft für die Herstellung eines zoologischen Gartens“ konstituiert. Man band die königliche Familie mit ein, die die Überlassung eines Teils des königlichen „Großen Gartens“ genehmigte, unter der Bedingung, dass auch weitere Grundstücke in Richtung Bürgerwiese erworben werden konnten.
Gleichzeitig betrieb ein „Verein für Hühnerzucht“ ein Areal im Ostragehege, das als „Zoologischer Versuchsgarten“ mehrere tausend Zuschauer anlockte. Dieser Tierbestand, der neben Vögeln auch einige wenige Säugetiere umfasste, wurde vom künftigen Zoo angekauft und bildete quasi den Grundstock der Tiersammlung. Dieser Begriff verdeutlicht vielleicht besser als unserer heutiger „Zoo“-Begriff, um was es damals ging. Man stellte die Tiere einfach aus und je „wilder“ sie waren, desto dicker waren die Gitterstäbe der „Schaukästen.“ Man kann einen solchen heute noch im nördlichen Teil des Zoos bei bzw. in der nunmehrigen Felsanlage beschauen.
Man muss kein Tierfreund sein, um bei dieser Art der Tierhaltung zu erschauern, aber andere Zeiten, andere Sitten. Auf knapp 13 Hektar konzipierte Lenne die Parkanlagen und der Stadtbaumeister Canzler die Gebäude für den Zoo.
Im Mai 1861 folgte dann seine Eröffnung. Dresden steht damit an vierter Stelle der ersten deutschen Zoos. Weltweit gilt die Anlage in Wien-Schönbrunn des habsburgischen Kaisers als der erste Zoologische Garten.
Österreich Michel 973
Selten sieht man einen derartigen SSt wie den obigen, der hinsichtlich der doch schwierigen Frage, seit wann nun wirklich ein Tiergarten vorlag, seit 200 oder doch 400 Jahren, beide Varianten gelten lässt. Offiziell wurde 1952 das 200. Jubiläum des Tiergartens Schönbrunn gefeiert.
In Dresden hatte 1861 das meiste Geld das beheizte Affen-Haus im Zoo benötigt. Es wurden Schimpansen und später Orang-Utas gehalten. Man kann sich gut vorstellen, welchen Zulauf der Zoo hatte, man kannte ja weder Kino und Fernsehen. Erst Alfred Brehms „Tierleben“ brachte der damals explosionsartig steigenden Bevölkerung in Deutschland näher, was außerhalb der eigenen Ländergrenzen so kreucht und fleucht.
Wenn man sich etwas näher mit dieser Materie beschäftigt, wird einem schnell klar, dass wir weder mit unserem heutigen Tierschutz-Gedanken, noch mit Antirassismus damals hätten Zuhörer gefunden. Vielmehr wäre man wohl einer Nerven-Heilanstalt anempfohlen worden, denn man stellte damals in Zoologischen Gärten zu gewissen Anlässen oder als „Attraktion“ genauso wie zur Weltausstellung in Paris 1900 unbekümmert „Wilde“, d.h. afrikanische oder indigene Menschen aus. Natürlich „natürlich“ mit ihren Hütten, Zelten, mit ihren Bemalungen und ihrer normalen Bekleidung - die Blöße züchtig bedeckt.
Das ist schon bemerkenswert, wie in reichlich 100 Jahren sich unsere Auffassung dazu geändert hat und irgendwie macht man sich Sorgen, wie es in weiteren 100 Jahren aussieht-es muss ja nicht immer besser werden!
Für die Tiere wurde es jedenfalls allmählich besser. Prof. Gustav Brandes, der den Zoo von 1910 bis 1934 leitete, modernisierte ihn allmählich. Weg von der Zur-Schau-Stellung hin zum mehr natürlichem Umfeld wie Freigehege/Felsanlagen/Flugkäfig und Stelzvogelwiese. Nachfolgend eine Karte aus dem Dresdner Zoo von 1916. Da dieses Sammelgebiet viele Thematiker (Zoo, Tiere) anzieht, sind solche Karten meist sehr gesucht.
Ein liebenswerter Umstand wurde durch Prof. Gustav Brandes auch für die Zoobesucher eingeführt, die sich wie zu allen Zeiten am meisten für Tiere begeistern: unsere Kinder.
Seit 1931 gibt es den Zookasper im Dresdner Zoologischen Garten, der in einer „Kinderstadt“, einem eigenen Gelände für die Kinder im Zoo, auftritt. Der nachfolgend abgebildete doch seltene Dresdner Werbestempel kann die Kinderstadt belegen.
Egon Gäble (1905-1967) spielte mit seinen selbstgeschnitzten schlanken Puppen den Zookasper ab 1931. Die Bombenangriffe zerstörten auch seine kleine Spielstätte, die ebenso wiedereröffnet wurde. Mit seinem frühen Tod 1967 schloss die Puppenbühne, ehe sich 1991 ein Nachfolger fand.
Eine gute Bekannte des Autors mit dem schönen Vornamen Alice; sie ist leider verstorben; hat mir mal ein Klassenfoto gezeigt. Es war aus den 40ern, eine reine Mädchenklasse (Ja, wie haben sich die Zeiten doch auch da so ganz geändert!) und es waren ganz viele, mit langen Zöpfen und schönen Kleidern …und ein junger, kleiner Löwe war mit auf dem Bild! Quasi als Maskottchen, als Dresdner Wappentier und sicher eine Leihgabe des Zoos!
Ja andere Zeiten … aber das hatten wir ja schon.
Man mag sich nicht vorstellen, wie die Bombardierung Dresdens im Februar und dann noch einmal im April 1945 für den Zoologischen Garten und seine Tiere verlief. Der Zoo war zum Kriegsende restlos zerstört.
Wenn man die folgende Ansichtskarte mit dem zuvor abgebildeten Stempel von ihrer Ansichtsseite betrachtet, erkennt man rechten Rand über den Baumkronen ein großes herrschaftliches Gebäude im Zoo…
Doch bereits am 6. Juni 1946 erfolgte die Wiedereröffnung des Zoos. Es musste ja weitergehen, wenn auch mit einem ganz bescheidenen Tierbestand. Unter Prof. Wolfgang Ullrich, Zoodirektor 1950-1973, wurde der Zoo modernisiert und zu einem mit internationalem Ruf.
1962 gelang dort die Geburt eines Orang-Utans. Das ist ein untrügliches Zeichen für artgerechte Haltung dieser Menschenaffen. Übrigens Orang-Utan bedeutet, übersetzt aus der indonesischen Sprache, „Waldmensch“. Da wir immer mehr Tropenwälder abholzen, wird es seit geraumer Zeit knapp mit dem Wohnraum für unseren im Wald lebenden Verwandten, mit dem wir 96,6 % gemeinsames Erbgut haben.
Eine andere Bekannte, Kinderkrankenschwester in der Universitätsklinik, hat mir mal berichtet, dass zu DDR-Zeiten ein Primaten-Baby aus dem Zoo sogar auf der Säuglingsstation von Prof. Dr. Schwarzer behandelt wurde…
Genau zum 100. Jubiläum des Dresdner Zoologischen Gartens kam es am 9. Mai 1961 dann zur Markenausgabe DDR Michel 825, 826.
Die Tiermotivmarken zu 10 und 20 Pf zeigen ein Zebra und Kilimandscharo-Äffchen, der Ersttagsbriefumschlag jedoch einen Orang-Utan. Den Grund dafür kennen wir durch die vorstehende Geschichte, auch wenn zur Markenausgabe der Zuchterfolg noch nicht da war.
Das ist ein schönes Beispiel dafür, dass ein solcher Umschlag einen zusätzlichen und erweiterten Aussagegehalt als die entsprechende Markenausgabe hat, auch wenn heute FDCs als „Mache“ und Kartonphilatelie abgetan werden. Sie zu sammeln, besser noch, sich damit zu beschäftigen, hat eben einen „Mehr“wert.
Damals war die Begeisterung für Philatelie noch groß, was folgende Belege mit den entsprechenden Marken zeigen.
Sechserblock, Zuschlag für Eil- und Einschreibbrief für 100 Pf, insges. 120 Pf portogerecht für doppelgewichtigem Ortsbrief
Ja, reiner „Bedarf“ sieht anders aus; allerdings war der auch nur bis Ende 1962 möglich, denn da wurde die Markenausgabe Dresdner Zoo bereits frankaturungültig.
Obenstehender Maschinenwerbestempel mit Pelikan wirbt für einen Zoobesuch. Nachfolgend ein weiterer MWSt diesmal mit einem anderen Tier.
Die Markenausgabe DDR Michel 3019/22 feiert dann 125 Jahre Zoo Dresden in 1986. Der 10Pf-Wert weist auf die noch heute besondere Bedeutung der Haltung und Züchtung von Orang-Utas (Pongo pygmaeus abeli) für den Dresdner Zoo hin.
Ja, obiger Beleg zeigt einmal mehr die oft gelungene Gestaltung ostdeutscher Philatelie-Produkte: Der Gepard fliegt langgestreckt geradezu durch den Sonderstempel, kein Wunder für das schnellste an Land lebende Tier!
Und ja, der Autor sammelte schon 1986 fleißig, das ist nun schon auch 35 Jahre her, was kein Zeitraum ist, wenn andere Vereinsmitglieder so berichten!
Der FDC-Umschlag zeigt den durch Prof. Gustav Brandes eingeführten Flugkäfig, den damals ersten in einem deutschen Zoo. Die Flamingos allerdings stehen auf ihrer eigenen Wiese - so viel gestalterische Freiheit muss sein.
Nach der Wende wurde und wird der Zoo weiter modernisiert und an die veränderten Tierhaltungsrichtlinien angepasst.
Ich erlebte nach 2000 noch mit, wie täglich die Elefanten ihren „Rundgang“ im Zoo hatten, neben ihnen liefen Kinder und es standen überall Kinderwagen. Das gibt es heute nicht mehr.
2010 wurde ein Tropenhaus eröffnet und nach dem Zoo-Erneuerer Prof. Brandes benannt, womit ein zusätzlicher Besuchermagnet entstand. Der Zoo hat auch nicht immer ein glückliches Händchen. Kurz nachdem die neue Pinguin-Anlage fertiggestellt war, verstarben nahezu alle Pinguine an einer Erkrankung… Beim Thema Pinguin: Beliebt war zwischen 1973 und 2015 auch das Pinguin-Cafe im Zoo, wo natürlich nur die Besucher etwas bestellen durften… Fischcocktails für die Namensgeber waren nicht im Angebot.
Der Dresdner Zoo beherbergt heute immerhin 3.000 Tiere aus 400 Arten. Man kann und muss sich fragen, ob ein Zoologischer Garten heute noch zeitgemäß ist. Nicht nur, dass wir im Fernsehen und Kino nahezu täglich Reportagen über die entferntest lebenden Tierarten sehen können. Nein in den Neuen Medien, im Internet ist es möglich, ohne Zeitverzug jedes Tier in zigfacher Abbildung zu sehen, zu studieren … da kann und darf man sich schon fragen, ob es sich lohnt, für einen Millionenbetrag ein Giraffenhaus zu errichten, um darin drei (!) Giraffen zu bestaunen. Ja sie sind wirklich groß!
Dieses Erstaunen ist um so größer, je kleiner die Besucher sind und für diese „lohnt“ sich der Zoobesuch wohl am meisten.
Und dafür lohnt es wiederum, heute noch Zoos zu unterhalten, von der Schutzfunktion für vom Aussterben bedrohte Tierarten einmal abgesehen. Eigentlich dürfte man dafür keine Zoologischen Gärten brauchen, um Tierarten vom Aussterben zu schützen, aber das ist ein anderes Thema.
Derart philatelistisch gerüstet, kann doch ein Zoobesuch nicht schaden. Die Tiere freuen sich nach der endlosen Corona-Zwangsschließung auf mehr Abwechslung, auf Publikum eben- also uns!
Also auf in den Zoo!
Dr. Axel Eska
Quellen: www.wikipedia.de, www.zoo-dresden.de, Michel Katalog