Dresdner Fotoindustrie
1839 | Friedrich Wilhelm Enzmann, Mechaniker und Optiker in Dresden, erster Produzent von Kameras und Photografischen Platten außerhalb Frankreichs |
1898 | In Dresden existieren bereits drei große Kamerafabriken: |
1906 | Hüttig AG ist der größte europäische Kamerahersteller |
1909 | Erste große „Internationale Photographische Ausstellung“ in Dresden |
1909 | Internationale Camerafabriken Aktiengesellschaft - ICA entsteht durch Zusammenschluss von: |
1912 | Gründung des später unter Ihagee firmierenden Betriebes |
1926 | Gründung der Zeiss Ikon AG Dresden, Zusammenschluss von: |
1945 | Die Schäden nach den Bombenangriffen am 13./14. Februar 1945 betreffen vor allem das Ihagee-Produktionsgebäudes mit Totalschaden. |
1959 | Zusammenschluss mehrerer Dresdner Kamerafabriken zum VEB Kamera- und Kinowerke: |
1964 | Umbenennung der Kamera- und Kinowerke in VEB PENTACON Dresden |
1968 | Das Ihagee-Kamerawerk wird ins Kombinat VEB PENTACON eingegliedert, zunächst wohl nur der Vertrieb, ab 1970 auch die Produktionsstätten |
1972 | Verstaatlichung der letzten noch selbstständigen bzw. halbstaatlichen Betriebe der Dresdner Fotoindustrie |
1985 | Eingliederung von PENTACON, dem VEB Feinoptisches Werk Görlitz und dem VEB Kamerawerk Freital in das Jenaer Carl- Zeiss-Kombinat; damit wird die Selbstständigkeit der Dresdner Fotoindustrie beendet |
1991 | Abwicklung des Unternehmens VEB PENTACON Dresden durch die Treuhand; weit über 9 Millionen Praktica-Kameras waren seit 1949 produziert worden |
- https://de.wikipedia.org/wiki/Ernemann
- https://de.wikipedia.org/wiki/PENTACON
Pillnitz, Seite aus einem Werbeprospekt (nach 1920)
Ernemann ging 1920 eine Interessengemeinschaft mit der Friedrich Krupp AG ein. Die daraus entstandene „Krupp-Ernemann Kinoapparate“ beschäftigte sich mit der Herstellung und dem Verkauf von Filmprojektoren. Die Zusammenarbeit drückte sich in einem neuen Warenzeichen aus: Das bisher genutzte Warenzeichen, die Lichtgöttin, wurde durch ein dreiteiliges Malteserkreuzgetriebe ersetzt, später durch dieses auf den drei Krupp-Ringen. Durch die Verbindung mit Krupp war die Materialbeschaffung für die – auch wegen des erwähnten Getriebes für den bildweisen Filmvortrieb – als robust geltenden Ernemann Kinoapparate gesichert.
Paketkarte der Firma Ernemann mit Selbstbucherzettel
Rückseite der Auslands-Paketkarte von Dresden in die Schweiz
Die abgebildete Auslands-Paketkarte lässt erahnen, wie bedeutend die Firma Ernemann tatsächlich einmal war: Der gedruckte Text neben der Einlieferungsnummer bedeutet, dass die Firma Selbstbucher war. Übrigens: Die Inflation war auch schon auf dem Vormarsch – 12 Mark Porto!
Inflations-Drucksache der Krupp-Ernemann GmbH
Wie damals üblich, wurden zur Verhinderung von Diebstahl und mißbräuchlicher Verwendung für die Frankierung der Post vorgesehene Marken mit einer Lochung (Perfin) versehen. Dabei wurden vorwiegend Anfangsbuchstaben aus dem Firmennamen vewendet. Die Lochung "H.E." steht also für Heinrich Ernemann. Die Vergrößerung einer Germania-Marke zeigt dies deutlicher.
Vom 1. Mai bis Mitte Oktober 1909 traf man sich in Dresden zur „Internationalen Photographische Ausstellung“. Es muss ein beeindruckendes Ereignis gewesen sein, die Ansichtskarte (leider nur schwarz/weiß) vermittelt zumindest einen Eindruck.
Blick in den Hauptsaal I der Internationalen Photographischen Ausstellung
Aus philatelistischer Sicht interessant ist der zum Einsatz gekommene Sonderstempel, wie damals üblich im Muster angelehnt an ‚normale‘ Tagesstempel. Vielleicht nicht ganz zufällig wurde das Datum gewählt – der 19.09.1909. Philatelisten (und nicht nur diese) haben bekanntlich ein Faible für derartige Spielereien. Auch Andenken nicht-philatelistischer Art konnte man offensichtlich erwerben, wenngleich sie wie Briefmarken gezähnt waren.
Vignetten zur Internationalen Photografischen Ausstellung
Auch das Ihagee Kamerawerk gehörte seinerzeit zu den Großen der Branche. Vor allem die innovative Blende war ein Meilenstein der Kameratechnik.
Werbeanzeige der Ihagee-Kamerawerke
Wie eingangs erwähnt, trugen viele weitere Firmen zum Erfolg der Dresdner Fotoindustrie bei. Als Beispiel sei hier die Mimosa AG genannt, Hersteller von sehr guten Photopapieren. Die Abbildung zeigt eine Auslandspaketkarte von 1937 nach Jugoslawien. Man beachte wieder: Selbstbucher!
Vorder- und Rückseite einer Auslands-Paketkarte der Mimosa AG nach Zagreb
Absender-Freistempel der Mimosa A.G.
Um 1900 fertigte die Emil Wünsche AG aus Reick (heute eingemeindet) ein auch für Philatelisten interessantes Produkt, genannt „Briefmarken-Kamera zur schnellsten und gleichmäßigsten Herstellung von Briefmarken-Porträts“ – eine Kastenkamera für 12 gleichzeitige Aufnahmen von je 28 mm * 32 mm auf Platten von 12 cm * 16 cm.
Kastenkamera (Foto: Wikimedia, CC BY SA 4.0)
Ein weiterer Kamera-Hersteller firmierte unter dem Namen Balda-Werke. Produziert wurden vor allem einfache, leicht zu bedienende Kameras für den Amateurbereich.
Relativ seltener Abdruck eines Komusina-Absenderfreistempels
Zu den Großherstellern von Kameras zählte über Jahrzehnte auch die Zeiß Ikon A.G. (damalige Schreibweise). Die grüne Farbe des gezeigten Ganzstückes impliziert eigentlich eine Postgutkarte; jedoch ist es auch denkbar, dass kriegsbedingt ein solcher Vordruck als Ersatz für eine Paketkarte verwendet wurde.
Selbstbucher-Paketkarte (1943), roter Poststempel ‚Bezahlt‘
Der nächste gezeigte Beleg stammt von 1946, Dresden liegt jetzt in der Sowjwtischen Besatzungszone. Die Kamera-Produktion war trotz Reparationen in bescheidenem Umfang wieder aufgenommen worden, auch erste Präsentationen gab es wieder. Erstmalig (?) taucht in einem Absendervermerk der Ernemannturm auf.
Ausstellung Sächsischer Industrie- und Handwerkserzeugnisse
Die rechtlichen Verhältnisse im geteilten Deutschland waren doch recht kompliziert, die nachfolgenden Abbildungen illustrieren dies. Eigentlich hätte der Name Zeiss Ikon wohl in Dresden gar nicht mehr verwendet werden dürfen, denn die Namensrechte lagen seit einem Beschluss von 1948 in Stuttgart …
Trotzdem: Lange Zeit gab es den Namen Zeiss Ikon für das Dresdener Werk noch. Die folgenden Absenderfreistempel ziert das mittlerweile eingeführte Logo mit dem Ernemann-Turm; wie vorgeschrieben wurde zunächst rote Stempelfarbe benutzt, später dann blaue.
Zwei Briefe mit Absenderfreistempeln von Zeiss Ikon
1959 folgte dann – wie einleitend dargelegt - der Zusammenschluss mehrere Dresdner Kamerafabriken zum VEB Kamera- und Kinowerke.
Firmenbrief aus Polen an den VEB Kamera- und Kinowerke
Dieser Name hatte nur kurz Bestand denn 1964 wurde das Unternehmen dann in VEB PENTACON DRESDEN umbenannt. In den folgenden Jahren gab es weitere Eingliederungen von Betrieben in das (ab 1968) Kombinat VEB PENTACON. Geblieben ist aber der Ernemannturm als Markenzeichen.
Absenderfreistempel des VEB PENTACON von 1956 und Brief über den Zentralen Kurierdienst 1968
Eventuell wurde für letztgenannten Brief sogar dieselbe Freistempel-Maschine genutzt, nur mit Kurierdienst-Vermerk statt Deutsche Post und angepasstem Stempelkopf zuzüglich der mittlerweile eingeführten Postleitzahl. Beim Zentralen Kurierdienst sind mit Freistempel bisher nur drei Klischees von PENTACON Dresden bekannt (und ein weiteres nur mit Inschrift VEB Kamera- und Kinowerke) (5).
(5) Jörg Laborenz: Die Absenderfreistempel des Zentralen Kurierdienstes der DDR, Berlin 2004
Im Werbeeinsatz eines Maschinenstempels wurden damalige Kamera-Spitzenmodelle erwähnt, neben Praktika auch die in Niedersedlitz gefertigten Praktina und Praktisix (https://zeissikonveb.de/start/kameras/praktina_praktisix.html).
Aus philatelistischer Sicht ist der Brief mit MiNr. 662, dem sogenannten Pappchinesen, natürlich eine Besonderheit – es dürfte nicht viele bedarfsmäßige Verwendungen dieser Art geben!
Auch in der DDR hatte man schnell erkannt, dass Werbung notwendig ist; zwei Briefmarken-Emissionen zur Leipziger Messe stellten daher traditionell Produkte der volkseigenen Industrie in den Fokus. Erstmals wurde 1955 eine Kamera aus Dresden als Motiv auf einer Messe-Marke verwendet.
portogerechte Mehrfachfrankatur mit MiNr. 479
Möglicherweise wegen des Bekanntheitsgrades wurden neu hergestellte Klischees für die Absenderfreistempel mit dem Einsatzstück PRAKTICA versehen. In Dresden gab es auch einen sogenannten Industrieladen; dort waren manchmal Artikel zu bekommen, die üblicherweise nur für den Export in das Nichtsozialistische Wirtschaftsgebiet (NSW) vorgesehen waren – also nur gegen Devisen erhältlich waren.
Absenderfreistempel PRAKTICA auf Brief vom Industrieladen
Wenn nichts anderes angegeben:
Alle in diesem Artikel abgebildeten philatelistischen Belege, Briefmarken, Vignetten, Ansichtskarten, Objekte und Fotos stammen aus den Sammlungen von Peter Kny IPV, Michael Schneider IPV, Dr. iur. Axel Eska IPV, Eduard Mahnert IPV, Thomas Wünsche IPV, Edelbert Fobe IPV, Arndt Göbel IPV sowie Wolfgang Graf. Vielen herzlichen Dank allen „Lieferanten“!