Dr. Wolfgang Dittmann
*1940
Frage: Wie sind sie zur Philatelie gekommen?
Dr. Wolfgang Dittmann: 1944 bezogen meine Eltern in Schwerin eine größere Wohnung, um die ausgebombten Verwandten aus Hamburg aufnehmen zu können. Im ganzen Umzugsgerassel fand ich einen größeren Stapel alter Postkarten und Briefumschläge, die mein Vater während seiner Tätigkeit in einer Hamburger Reederei vorwiegend von Seefahrtsassekuranzen aus der ganzen Welt gesammelt hatte. In einer ruhigen und unbeaufsichtigten Minute oder besser Stunde kam ich als kleiner Knirps auf die Idee, die auf den Karten und Briefumschlägen vorgedruckten Postwertzeichen "sorgfältig" auszuschneiden, um meinem Vater damit eine "große Hilfe" erweisen zu können. Das gab natürlich dollen Ärger und brachte mir das wohl einzige Erlebnis einer tätlichen Entgleisung meines Vaters ein. Er hat dann leider seine Sammelleidenschaft eingestellt, weckte diese dann aber Jahre später (1952) in mir, weil er durch seine Bürotätigkeit jeden Tag mit einem riesigen Schwung gelaufener Briefmarken aus deutschen Landen und Österreich nach Hause kam. Die Bedeutung der Briefmarken war mir ja früh sehr spürbar klar gemacht worden. Jetzt aber konnte ich ihm richtig helfen und begann - zwar mit vielen Fehlern, die anfänglich wohl jeder angehende und lernende junge Sammlerfreund mehr oder weniger begangen hat - Freude am Sammeln zu entwickeln. Und das bis heute.
Frage: Was wird gesammelt?
Dr. Wolfgang Dittmann: Deutschland und Österreich von den Anfängen der Verwendung von Briefmarken, postfrisch und gelaufen. Auch gute und interessante Ganzsachen finden in meinen Sammlungen Platz.
Frage: Ihr Lieblingsstück?
Dr. Wolfgang Dittmann: Belege aus der Zeit nach Beendigung des 2. Weltkrieges, wie in Westmecklenburg die Privatpost provisorisch gehandhabt wurde, bevor dann später wieder deutsche Briefmarken verausgabt wurden:
1. manuelle Schwärzung von Hitlermarken und Korrektur von politisch anstößigen Bemerkungen auf einer Postkarte:
2. vorgedruckte amerikanisch-englische Postkarte für die kurze Zeit der amerikanischen und englischen Besetzung Westmecklenburgs mit der russischen Überdruck zur Verwendung nach dem Austausch Westmecklenburgs gegen Westberlin.
Frage: Ihre Meinung zum Verein?
Dr. Wolfgang Dittmann: Der IPV1877 hat im Laufe der Jahre eine bewegte Geschichte hinter sich. In den Jahrzehnten konnte das Interesse an der Philatelie immer von der Mitgliederzahl abgeleitet werden. in den 20-er Jahren des vergangenen Jahrhundert konnte der Verein immerhin an die 3200 Mitglieder aufweisen. Davon können wir jetzt bei einer Mitgliederzahl von etwa 60 bis 80 nur träumen. Das heißt aber nicht, das das Interesse an der Philatelie im Schwinden begriffen ist. Wenn ich auch selten an den Mitgliederversammlungen teilnehme, so hat sich bei mir die Meinung gefestigt, dass unsere Gruppe älterer Herren mit Freude und Hingabe das Vereinsleben gestaltet und auch viele Nichtmitglieder an den Verein bindet. Die gegenwärtige Aufarbeitung der Geschichte unseres Vereins, die Organisation hervorragender Fachvorträge, die Publikation unserer Vereinsschrift, die 77-er Info, die zahlreichen Fachexkursionen, die Tauschaktivitäten innerhalb und außerhalb des Vereins und neuerdings die in kurzer Folge erscheinenden sehr interessant gestalteten Newsletter belegen die hohe Qualität und begründen den Erfolg dieser Zusammenarbeit. Dabei möchte ich hervorheben, dass dieser Erfolg ganz besonders ein Verdienst des Vereinsvorsitzenden und des Vorstandes ist. Das war nicht immer so.
Glücklich bin ich über die Einbindung unseres Vereins in den Philatelisten-Verband NORDOST e. V. Hier wünsche ich mir einen regen Erfahrungsaustausch. Wissen wir doch, dass wir uns noch mit schwierigen Problemen zu befassen haben und würden gerne wissen wollen, wie in anderen Vereinen die Aufgaben gelöst werden: u. a. Gewinnung neuer Mitglieder besonders aus der jüngeren Generation, die Öffentlichkeitsarbeit oder die Wiedereinführung eines Rundsendezirkels.
Frage: Wie wird Ihrer Meinung nach die Philatelie in 20 Jahren aussehen?
Dr. Wolfgang Dittmann: Diese Frage tut mir nicht gut! Leider sehe ich die Entwicklung der Philatelie sehr kritisch. Das liegt daran, dass mit den Jahrzehnten die Wirkungsfelder sehr vielfältig geworden sind. Beim Ländersammeln verlieren viele Neulinge den Mut, Motivsammlungen wären eine Lösung, das ist aber vielen Außenstehenden unbekannt. Jugendlichen vergeht der Spaß, wenn sie von den Kosten, insbesondere für den käuflichen Erwerb der Neuausgaben an den Postschaltern erfahren. Und dann ist da auch die Konkurrenz vieler anderer, vielleicht auch erfolgversprechender Hobbys mit den Jahren stets gewachsen. Da hat die Philatelie einen schweren Existenzkampf zu bewältigen und hoffentlich auch zu bestehen...